Obwohl Sabine Winter schöne Rollen verbuchen kann und Sänger in Österreich und Deutschland generell von einer vergleichsweise großen Opernszene und langen Musik(theater)tradition profitieren, kostet es Anstrengungen und Eigenengagement, auch dauerhaft davon leben zu können. „Es kommt vor, dass ich als Solistin mit einem Anfängervertrag am Opernhaus weniger verdiene als der Chorsänger hinter mir, nicht zuletzt weil Opernchöre und Orchester gewerkschaftlich organisiert sind. Da geht die Schere bei Sängern extrem weit auseinander.“
Sabine Winter hat seit ihrer Studienzeit zusätzlich auch unterrichtet. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum das Unterrichten oft abwertend beäugt wird. Dabei habe ich mit Musik so viele Möglichkeiten. Ich kann am einen Tag die Hauptrolle singen und am anderen Tag einen Kinderchor leiten. Flexibilität ist heute gefragt. Aber das ist doch in jedem Beruf so. Die Kinder, deren Interesse für Musik heute gefördert wird, sind die Konzertbesucher von morgen. Du kannst in jenen das Feuer entfachen, die morgen die Tickets zu deinen Konzerten kaufen. Wenn ich diese Nachwuchsarbeit ernsthaft und aus Überzeugung mache, hat das für mich die gleiche Wertigkeit wie der Auftritt einer Solistin bei den Salzburger Festspielen. Das zwischen den Zeilen zu hörende Ach, du bist ja nur Musiklehrer ärgert mich. Wenn man die Basisarbeit nicht macht, spielen auch die größten Musiker vor leeren Häusern. Ich habe wirklich Freude daran, mein Wissen weiterzugeben und es macht mich glücklich, wenn die Schüler sich nach der Stunde besser fühlen als davor. Außerdem wird man ganz schön einfallsreich, um den Schüler ans Ziel zu bringen. Gerade in der heutigen Zeit, in der Kunst und Kultur vom Plan gestrichen werden, muss man erst recht ran! Man muss in dem Job vielseitig sein und eben offen sein für Veränderung!“
Eine weitere Motivation, in eine professionelle Basisarbeit zu investieren, sieht Sabine Winter in der digitalen Welt, „die unser Gehör ziemlich versaut hat: Man legt eine Beethoven-CD ein, hört alles tiptop abgemischt, kein Kiekser, alles lupenrein, steril, man kann die Lautstärke richtig aufdrehen. Dann gehst du in den Konzertsaal, hörst es viel leiser, nicht abgemischt, nicht ganz so lupenrein weil es eben live ist und menschlich. Und dann ist der Hörer enttäuscht. Dabei fängt es doch erst zu leben an, wenn man an den Rand des möglichen Ausdrucks gehen will! Dann kann halt auch einmal ein Fehler passieren. Außerdem bringt ein Liveerleben so viel Energie mit sich, wie man es in keiner CD einfangen kann. Und diese Wertschätzung kann man schulen!“
Antwort verfassen
Dir gefällt unser Artikel?Wir freuen uns über Deinen Kommentar.