Raffaela Rudigier-Gerer

Zirkusobfrau, Feuerkünstlerin, Clownfrau und Kulturjournalistin

Die gebürtige Montafonerin bewegt sich im Spagat zwischen Kunst, Kultur und Sport und jongliert dabei mit einer fröhlichen Leichtigkeit berufliche und familiäre Herausforderungen. Raffaela Rudigier-Gerer hat sowohl als Kulturjournalistin, als auch als ehemalige Worldtour-Snowboarderin den Unterschied zwischen Leistungsdruck und der Freude am Tun erkannt. Diese positive Energie gibt sie als Feuerkünstlerin und Clownfrau an ihr Publikum weiter. Ihr Einsatz, die Szene moderner Zirkuskünstler im Land zu vernetzen, gipfelte vor gut anderthalb Monaten in der Eröffnung von Vorarlbergs erster Zirkushalle in Dornbirn.

Raffaela Rudigier-Gerer hat Zirkusatmosphäre aus den unterschiedlichsten Ländern nach Vorarlberg getragen. Und die kann man spüren, wenn man die hohe, frisch renovierte Zirkushalle in Dornbirn betritt. Hier fühlt sich jeder willkommen, der Spaß an Bewegung und Teamarbeit hat. „Ich mag Menschen“, erklärt Raffaela Rudigier-Gerer. „Ich glaube, ich kann es auch gut mit den Menschen – natürlich nicht mit allen“, lacht sie, „aber man muss mir erst einmal beweisen, warum ich jemanden nicht mögen soll“. Dabei ist die Mitte-30-Jährige in einer nicht gerade dicht besiedelten Gegend aufgewachsen, nämlich in St. Gallenkirch, also einer 2.000-Seelen-Gemeinde im Montafon:

Titelfoto: ©Patricia Keckeis

S’Maiggi, d‘Buaba-Bande und der Alpen-Don Camillo

„Als ich zur Volksschule gegangen bin“, erzählt Raffaela, „waren wir nur zehn Kinder in der Klasse. Wir waren ansonsten alle sehr viel draußen, immer in Bewegung. Das Landleben bei uns in St. Gallenkirch mag nach außen hin also so richtig beschaulich gewirkt haben“, meint sie mit Augenzwinkern, „aber in Wahrheit ging es bei uns Kindern so richtig wild her: Ich war das einzige Maiggi, also Mädchen, in unserer Bubenbande. In unserer Nachbarschaft gab es einfach nur Buben. Wir haben Hütten gebaut und so richtige Revierkämpfe ausgefochten. Es war alles sehr Adrenalin geladen!“ Spielen, über die Felder rennen bis es dunkel ist – Raffaela Rudigier-Gerer war also schon damals mehr Räubertochter als Prinzessin. „Ich habe mich unter den Jungs sehr wohl gefühlt, es war nichts Außergewöhnliches für mich. Und ich habe nichts vermisst. Im Gegenteil: das Energielevel, das dort herrschte, hat sehr gut zu mir gepasst!“

Raffaela Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier

Raffaela Rudigier-Gerer; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Raffaela Rudigier-Gerer durfte damals als Ministrantin in der Dorfkirche den katholischen Gottesdienst mitgestalten. „Das durften die Mädchen ja lange nicht überall.“ Möglich gemacht hatte das Pfarrer Eberhard Amann, der gerne auch als Alpen-Don Camillo“ umschrieben wird (ihm wird nachgesagt, er würde lieber politisieren, als predigen…). „Pfarrer Amann hat es auch beim Ministranten-Fußballspiel mit dem Unparteiischsein meist nicht so ganz ernst genommen und schon mal für St. Gallenkirch statt für das gegnerische Gortipohl gepfiffen“, lacht sie und fügt hinzu: „Er hat übrigens auch meine beiden Kinder getauft.“ Als 16-Jährige hat Raffaela Rudigier-Gerer einige Zeit in der Damenmannschaft des örtlichen Fußballclubs gespielt: „Ich war eine ziemlich erfolglose Stürmerin. Im Spiel gegen die Damen aus dem Bregenzerwald hab ich mich immer ein bisschen gefürchtet“, lacht sie. „Meine sportliche Leidenschaft war eben schon immer das Snowboarden.“

Welttour per Snowboard

Raffaela Rudigier-Gerer ist mit ihren zwei jüngeren Brüdern als Tochter von „Sport Harry“ aufgewachsen. „Ich stamme aus einer richtigen Sportartikelhändler-Dynastie: mein Großvater war ein Sportartikelhändler in Gaschurn. Vier seiner Söhne haben heute ebenfalls Sportgeschäfte im Montafon. Sie sind allesamt unabhängige Einzelhandelskaufmänner, die nicht in eine der großen Ketten eingebunden sind.“

Raffaela Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier

Raffaela Rudigier-Gerer mit Bruder Samuel Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Deshalb war der Wintersport auch ein sehr prägendes Thema im Leben der Montafonerin. Neben dem Skifahren hatte es ihr vor allem das Snowboarden angetan – als Zwölfjährige besaß sie eines der ersten Kindersnowboards, das damals auf dem Markt war. „Und wieder war ich lange das einzige Mädchen weit und breit, ich bin lange in einer reinen Burschenclique mitgefahren“, erzählt sie. Das Snowboarden entwickelte sich zu einer richtigen Leidenschaft, schließlich fing Raffaela an, wettkampfmäßig Boardercross zu fahren, hat über die „ISF“, also die „International Snowboarding Federation“ (von 1990 bis 2002 eine weltweite Dachorganisation für Snowboardverbände) Welttourneen mitgemacht. „Im Alter von 16 bis 24 war ich intensiv dabei und bin viele Rennen gefahren, und zwar immer ausschließlich über die ISF, denn da waren meiner Meinung nach eben die coolen Snowboarder dabei“, schmunzelt sie. „Bei der FIS waren eher die …ähm… anderen. Leider hat sich die ISF nicht lange gehalten und die FIS hat dann sämtliche Disziplinen übernommen.“

Danach ist die Snowboarderin noch ein Jahr mitgefahren, dann aber ausgestiegen. „Es hat mir in dieser Vereinigung mit den sehr viel strengeren Regeln und Abläufen einfach keinen Spaß mehr gemacht. Als der damalige Trainer dann auch noch wollte, dass ich mich entscheide zwischen Trainieren und Studieren war meine Entscheidung schnell gefallen. Danach bin ich noch einige Freeride-Contests gefahren, was nicht ganz ungefährlich war. Mit der Zeit habe ich dann das Rennenfahren aufgegeben, habe mir gesagt, dass ich viel zu gerne lebe, um mein Leben jedes Mal aufs Neue zu riskieren.“ Von da an war das Snowboarden wieder einfach „nur“ eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen – und hat wieder Spaß gemacht.

Raffaela Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier

Raffaela Rudigier-Gerer; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Wurzeln und Flügel

Raffaela Rudigier-Gerer hat sich, wie sie selbst sagt, immer sehr wohl gefühlt in ihrer Heimat St. Gallenkirch. „Gleichzeitig hatte ich aber immer auch den Drang, raus zu kommen. Ich hatte irgendwann einfach das Gefühl, hier alles und jeden zu kennen – und jeder kannte mich… Als s’Maiggi vom Sport Harry konnte ich mich natürlich nicht immer so verhalten, wie ich es gerade wollte“, lacht sie. Also habe sie beschlossen, sich nach ihrem 18.Geburtstag die Welt anzusehen. „Ich habe mir als Snowboardlehrerin ein bisschen Geld verdient und bin dann tatsächlich ein paar Monate auf Reisen gegangen. Vorwiegend per Interrail, dann war ich drei Monate lang in Äthiopien, war dort auch an der Universität eingeschrieben. Und natürlich bin ich über meinen Snowboardsport ganz schön herum gekommen – beispielsweise nach Aspen/Colorado, Japan und so weiter.“

Nach ihren Reisen stand für Raffaela fest: „Ich wollte Kunst studieren. Ich habe mich in Wien und Zürich beworben, wusste allerdings nicht, dass man sich da wohl etwas besser hätte vorbereiten sollen. Denn mit meiner Maturamappe bin ich da nicht sehr weit gekommen. Die haben sich da an den Unis wahrscheinlich kaputtgelacht“, erzählt Raffaela Rudigier-Gerer und muss dabei selbst lachen. „Ich muss zugeben, die Ablehnungen haben mich in meinem 18-jährigen Ego schon ein bisschen gekränkt. Und deshalb habe ich mir dann vorgenommen, eben ganz etwas anderes zu machen.“ Also ist sie schließlich nach Innsbruck gezogen, um Germanistik zu studieren „– obwohl ich eigentlich nie nach Innsbruck wollte“, fügt sie hinzu. „Aber wider Erwarten hat es mir dort irrsinnig gut gefallen! Nirgendwo anders hätte sich ein Studium und meine Liebe zum Snowboarden besser vereinen lassen, als in Innsbruck.“

Medienzirkus und Feuerakrobaten

Und es wäre nicht Raffaela gewesen, wenn sie sich nicht auch zu Studentenzeiten abseits der Hörsäle engagiert hätte: „Ich habe Demos mitorganisiert und eine Studentenzeitung herausgegeben, die sich als eine Art Revival der Studentenzeitung Kaktus aus den 1970er-Jahren verstand. Wir haben da durchaus auch für das eine oder andere Gesprächsthema auf dem Campus gesorgt…“. Bereits damals hat sie die faszinierende Kraft der Medien entdeckt, die sie später ja noch lange beschäftigen sollte.

Raffaela Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier

„Tirasaru“; Foto: ©Patricia Keckeis

Zunächst hatte sich zu dieser Zeit allerdings eine weitere Kraft entfacht, die die Studentin nie wieder loslassen würde: und zwar jene der Feuerkunst. Raffaela Rudigier-Gerer hat zufällig ein paar Studenten kennengelernt, die „Poi“ geschwungen haben, also einen Ball, der an einer Schnur gehalten und im Kreis geschwungen wird. „Mit der Zeit hat sich daraus eine kleine Gruppe von Interessierten formiert. Wir haben uns regelmäßig im Park getroffen, es haben sich immer mehr Leute angeschlossen. Später ist dann das Feuerspiel dazu gekommen und wir haben einen eigenen Verein gegründet – Das Spielvolk, das es übrigens noch heute gibt und inzwischen richtig groß geworden ist.“ Gemeinsam mit ein paar Freundinnen hat die Feuerkünstlerin dann begonnen, eigene Choreografien zu ihren Feuerspielen zu entwickeln. „Plötzlich waren wir ein sechsköpfiges Grüppchen innerhalb des Spielvolks, das sich da abgespalten hat.“

Tirasaru Feuerkünstler

Die Sechs nannten sich „Tirasaru Feuerkünstler“ und sind als solche zwölf Jahre lang auf internationalen Feuer-, Kunst- und Straßen-Festivals aufgetreten: „Da ist für mich eine Welt aufgegangen“, schwärmt die Mitte-30-Jährige heute. „Ich bin ja immer schon gerne gereist, aber gemeinsam mit den Feuerkünstlern war das komplett etwas anderes: die Atmosphäre auf den Festivals ist etwas ganz Besonderes. Man trifft Künstler aus der ganzen Welt und lernt Menschen und Kulturen von einer anderen Seite kennen. Das war jedes Mal legendär, fast schon magisch!“

Zu der Zeit übrigens, als „Tirasaru“ angefangen haben, auf Festivals aufzutreten, ist in Graz die erste Österreichische Feuer-Convention ausgetragen worden. Zu diesem internationalen Feuerfest trafen sich im Juli 2003 Künstler aus Australien, Brasilien und ganz Europa, mit dabei natürlich auch „Tirasaru“. „Ab dann hat sich eine Österreichweite Szene formiert“, erinnert sich Raffaela Rudigier-Gerer. „Und wir waren mittendrin. Viele tolle Kontakte halten sich bis heute!“

„Tirasaru“ gibt es übrigens noch heute. Allerdings ist die Truppe auf zwei Mitglieder geschrumpft. „Einer von uns ist Richter geworden, eine Schulpsychologin, ein anderer hat eine Wildnisschule in Oberösterreich gegründet und einer ist Heiler in England… Jetzt sind wir also nur noch zu zweit und nennen uns Tirasaru Feuerschwestern. Meine Feuerschwester ist – wie ich – zweifache Mama. Wir treten noch bei Hochzeiten, Straßenkunstfestivals und Feuershows auf und machen so viel, wie wir eben organisieren können. Auch wenn unsere Zeit mittlerweile knapp geworden ist, sind ein bis zwei Festivals pro Saison immer fix dabei. Ich finde es schade, dass der Tag nur 24 Stunden hat…“

Mit Humor sich selbst kennen lernen

Raffaela Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier

Raffaela Rudigier-Gerer; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Die Feuerkunst hat sie nie aufgegeben. „Das war all die Jahre hindurch präsent“, betont sie. Und mehr noch: Sie ist zu Beginn ihrer journalistischen Laufbahn per Zufall auch noch in einen Ausbildungskurs für Clownerie „gestolpert“, „und das hat mich dann nicht mehr losgelassen. Das war eine Ausbildung, die sich – in Etappen – über ein Jahr gezogen hat. Ich hatte zuvor mit Clowns überhaupt nichts am Hut, hat mich auch im Zirkus nie angesprochen, hat mir bis dahin überhaupt nichts gesagt. Dieser Kurs allerdings war eine überwältigende Lebenserfahrung. Er hat sich als richtig tiefe Persönlichkeitsarbeit herausgestellt. Denn es ging darin immer wieder auch um den Umgang mit dem eigenen Scheitern, mit eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten.“

Clownfrau; Foto: ©Raffaela Rudigier

Clownfrau; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Dazu komme, dass man als Clown direkt ins Publikum spielt und im Idealfall direkt die Reaktionen und Emotionen der Zuschauer aufgreift. Das heißt, man muss ständig im Augenkontakt mit dem Publikum sein. „Das ist eine ganz intensive Arbeit im Hier und Jetzt, im Augenblick. Ich bin zunächst Tausend Tode auf der Bühne gestorben, bis ich entdeckt habe: Wir stecken eh alle in der gleichen Sch… Von dem Moment an hat es ganz wunderbar geklappt. Das hat mir übrigens auch sehr bei meinen Live-Moderationen auf der Bühne und im Radio geholfen.“

Clownduo; Foto: ©Raffaela Rudigier

Clownduo; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Raffaela Rudigier-Gerer nimmt seit über zehn Jahren regelmäßig an Clownworkshops teil und probiert sich selbst auf kleinen Bühnen aus. „Und es tut einfach gut: Ich hatte bis dahin doch fast vergessen, wie genial Spielen ist. Das, was mir früher das Rennen über die Wiesen und das Hüttenbauen gegeben haben, hat mir das Clownspiel auf der Bühne zurückgebracht. Und das Lachen. Lachen, bis man sich fast in die Hose macht. Das vergisst man als Erwachsener leider nur allzu oft“, bedauert sie und erzählt, dass sie in Clownkursen Menschen erlebt hat, die sich im Spiel auf der Bühne so richtig befreien konnten.

Zack&Poing!

Raffaela Rudigier; Foto: ©Raffaela Rudigier

Straßenfestival; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

Das Spiel des Lebens hat sie vor einigen Jahren – ganz zufällig – zwischen diversen Kursen (Raffaela hat daneben auch noch eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht), Interviews, Moderationen und Feuershows ins bayerische Bamberg zu einem Straßenfestival geführt, auf dem sie ihren heutigen Ehemann und Vater ihrer zwei Kinder kennen lernte. Sebastian Gerer ist zertifizierter Zirkuspädagoge, Jongleur und Musiker, arbeitete damals hauptberuflich in einem Kinderzirkus in Berlin. Als Paar und mit der Vision, etwas Ähnliches wie in Berlin auch in Vorarlberg aufzubauen, sind Raffaela Rudigier und Sebastian Gerer gemeinsam ins Ländle zurück gekehrt. Dort haben sie im Jahr 2012 mit drei weiteren Zirkusbegeisterten „Zack&Poing!“ gegründet, einen Verein für Artistik, Bewegungskunst und Kultur. „Unser Hauptanliegen ist die Vernetzung und die Aus- und Weiterbildung von Zirkuskünstlern sowie die Ausbildung von Kindern.“

Erste Zirkushalle in Westösterreich

Von Anfang an war der Verein auf der Suche nach einem geeigneten Ort für seine Tätigkeiten. Das ständige Pendeln zwischen Schulturnhallen war auf Dauer natürlich nicht die optimale Lösung. Neben der durchgehenden Nutzbarkeit waren – etwa für Luftartistik und fortgeschrittene Jongleure – Räume mit einer Höhe von rund 6 Metern nötig. „Nach fünf Jahren haben wir die Suche dann aber schon fast aufgegeben“, erzählt Raffaela Rudigier-Gerer. Vor einem halben Jahr ist es über viele Umwege dann aber doch noch geglückt: Im ehemaligen F.-M.-Hämmerle-Areal in Dornbirn (in unmittelbarer Nachbarschaft zum Indoorspielplatz „Spielefabrik“) hat „Zack&Poing!“ nun ein neues Zuhause mit den lange gesuchten optimalen Räumlichkeiten gefunden.

„Dann ging es Schlag auf Schlag, wir haben unsere gesamte Energie mobilisiert, und schließlich war der Eröffnungstermin fixiert: Mitte Februar 2018 haben wir mit einem Tag der offenen Türe gefeiert.“ Damit gibt es nun erstmals in Westösterreich einen zeitgenössischen Zirkus mit fixer Zirkushalle . Und diese bedeutet mehr als nur eine reine Probe- und Auftrittshalle. Denn in der neuen „Zirkuswerkstatt“ werden auch Workshops, Trainings und Weiterbildungskurse durchgeführt. Zudem kann die Halle von anderen Artisten, Künstlern und Akrobaten gemietet werden. „Im Sommer haben wir die Möglichkeit, auf der angrenzenden Wiese im Freien zu trainieren“, freut sich Zirkusobfrau Raffaela Rudigier-Gerer. Die Nutzung der Halle wird übrigens von Land Vorarlberg und Stadt Dornbirn gefördert, den Großteil der finanziellen Kosten muss der Verein „Zack & Poing“ selbst stemmen.

Natürlich wird es auch in der neuen Zirkushalle in Dornbirn Artisten, Zirkuskünstler und Akteure geben, die die Menschen – wie man es von einem Zirkus gewohnt ist – zum Staunen bringen. „Aber“, erklärt die Zirkusobfrau, „unser moderner, zeitgenössischer Zirkus unterscheidet sich schon deutlich von jenem Zirkusbild, das im deutschsprachigen Raum lange Zeit von den bekannten Zirkusfamilien geprägt worden ist: Bei uns gibt es beispielsweise keine Tiere, der Mensch steht im Mittelpunkt. Es geht auch nicht mehr um die größte artistische Leistung. Im modernen Zirkus werden vielmehr bestmögliche künstlerische Leistungen präsentiert.“ Die zeitgenössischen Zirkuskünstler arbeiten also sehr nahe an den Genre-Grenzen verschiedenster Künste und überschreiten sie auch: Es wird beispielsweise Tanz mit traditionellen Zirkuskünsten verbunden, Poesie mit Clownerie. „Und ganz nebenbei werden dabei auch ganz viele Geschichten erzählt“, verspricht Raffaela Rudgier-Gerer.

Kinderzirkus ohne Konkurrenz und Leistungsdruck

Besonders viel Wert legen die Mitglieder des Vereins auf die Nachwuchsförderung. Neben Workshops finden in der neuen Zirkushalle in den Schulferien Zirkuswochen für Kinder statt. „Bei uns im Zirkus gibt es aber so etwas wie Konkurrenzdruck nicht. Hier gilt NICHT: Der Beste gewinnt. Es geht darum, miteinander eine Aufführung zu gestalten. Die Kinder lernen vordergründig zwar Zirkusdisziplinen, was motorisch übrigens genial ist“, sagt die zweifache Mama. „Aber mindestens genauso wichtig sind die Softskills, die die Kinder im Hintergrund lernen: also Teamfähigkeit, aufeinander Hören, Rücksicht nehmen und zusammenarbeiten.“ Außerdem wird dem natürlichen Bewegungsdrang der Kinder Rechnung getragen, dazu kommt der spielerische Umgang mit dem eigenen Scheitern: „Da kugeln schon mal die Bälle auf den Boden bis man Jonglieren kann! – aber es ist kein Weltuntergang. Man kann bei uns also viel lernen, muss man aber nicht. Man kann auch einfach nur spielerisch dabei sein und Spaß am Zirkus haben.“

„Zack&Poing!“; Foto: ©Raffaela Rudigier

„Zack&Poing!“; Foto: ©Raffaela Rudigier-Gerer

In Österreich gibt es keine weiterführende Ausbildung für Zirkuskünstler, keine Zirkusschule, in die interessierte Kinderzirkus-Absolventen gehen könnten, wenn sie weiter auf dem Gebiet arbeiten wollen. Sie alle müssen dazu ins Ausland ausweichen (wie beispielsweise Lisa Theissl, Studentin an der Artistenschule „Die Etage“ in Berlin, in einem unserer „Schwarz-auf-Weiß“-Gastporträts erzählt.). „Länder wie Frankreich, Belgien, Kanada und Australien sind uns da schon weit voraus“, weiß Raffaela Rudigier-Gerer. „Dort ist der zeitgenössische Zirkus bereits seit rund 30 Jahren eine staatlich geförderte Kunstform. Wir bekommen jetzt schon Trainings- und Residence-Anfragen aus Wien und merken ganz deutlich, dass es so etwas wie ein strukturiertes Angebot einfach nirgendwo in Österreich gibt. Es ist uns erst jetzt so wirklich bewusst geworden, welche Lücke wir da füllen können. In Vorarlberg gibt es ein paar tolle Einzelkämpfer auf dem Gebiet. Diese zusammenzubringen, zu vernetzen und eine Szene, eine Struktur aufzubauen wird jetzt mit dieser Halle deutlich einfacher!“

Der Anfang ist geschafft, an Engagement fehlt es nicht – „Manege frei!“ also für ein neues Zirkuszeitalter auch bei uns im Land!

Verfasst im März 2018

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