Natalie Moosmann (Uher)

Entwicklungshelferin und Trommellehrerin

Seit mittlerweile zehn Jahren setzt sich die Dornbirnerin mit ihrem Verein „Wissen macht stark“ für die Bildung von Kindern und Jugendlichen in einem kleinen Dorf in Senegal in Westafrika ein. Mit Spendengeldern und Patenschaften für Schüler hat Natalie Moosmann es geschafft, bislang vier Schulgebäude zu errichten und zahlreichen junge Menschen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Über ihre Leidenschaft zum Trommeln ist das damals international tätige Model zufällig nach Senegal gekommen. Seither geben nicht nur die afrikanischen Rhythmen den Takt in ihrem Leben an, sondern vor allem die jungen Menschen in MBalling, Senegal, die die dreifache Mutter mindestens zwei Mal im Jahr besucht, um ihnen ehrenamtlich zu helfen.

Wir treffen uns mit Natalie Moosmann im „Trommeltreff“ in Dornbirn-Wallenmahd, in dem sie ihre Workshops abhält und einen kleinen Laden mit afrikanischem Kunsthandwerk führt. An den Wänden zeugen holzgeschnitzte Masken, in den Regalen handgemachte Körbe und Tücher von ihren Afrika-Reisen. Wir erleben die Entwicklungshelferin als eine Frau mit großem Herz und dicker Haut – beides natürlich im übertragenen Sinn gemeint und während des Gesprächs über ihre bewegte Lebensgeschichte deutlich spürbar. „Ich habe gelernt, mich auf das Positive zu konzentrieren und meinen Blick dorthin zu richten, wo Menschen Hilfe brauchen“, meint Natalie Moosmann dann auch pragmatisch. „Das ist eine Stärke von mir, die im Lauf der Zeit gewachsen ist.“

Horizonterweiterung im Rebellenalter

Aufgewachsen ist Natalie Moosmann gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder in Lustenau, wo sie auch ihre ersten Schuljahre verbracht hat. Ihre Eltern sind aus Wien und Kärnten nach Vorarlberg gekommen. „Mein Vater hat viel in Tirol gearbeitet, deshalb habe ich mein neuntes Schuljahr auch in einem Internat dort absolviert. Es war eine Hauswirtschaftsschule, die von Nonnen geführt worden ist. Ich war nicht wirklich begeistert. Sooo brav war ich halt dann auch wieder nicht“, fügt sie lachend hinzu. „Aber ich habe das dann irgendwie doch geschafft, obwohl dieser Umzug nach Tirol in eine für mich nicht ganz einfache Zeit gefallen ist. Ich war nicht ganz 14 Jahre alt, wollte nicht weg von Zuhause, von meinen Freunden. Dieses Jahr in Tirol würde ich mit meiner Rebellenzeit umschreiben.“

Im Rückblick betrachtet umschreibt Natalie Moosmann diese Zeit allerdings als eine, die ihr „ganz gut“ getan hat: „Ich bin immerhin mal raus gekommen, weg aus Vorarlberg. Ich habe andere Menschen kennen gelernt und etwas anderes gesehen als nur Lustenau und Umgebung. Das hat meinen damals doch sehr kleinen Horizont ein erstes Mal ein bisschen erweitert.“ Denn als Kind sei sie noch sehr selten auf Reisen gewesen, erzählt die spätere Kosmopolitin: „Hin und wieder waren wir in Kärnten bei der Oma. Das war‘s dann aber auch. Mein Bruder und ich haben bis zu diesem Zeitpunkt also nicht wirklich viel gesehen von der Welt. Mein Jahr in Tirol hat mir wenigstens die Möglichkeit geboten, mich ein bisschen zu lösen, auszubrechen und etwas anderes zu sehen.“

Playboy kein Sprungbrett in die Fotowelt

Ihre Lust, die Welt kennen zu lernen, ist dann im Anschluss mit ihrem ersten Model-Job so richtig gewachsen: „Dieses Abhauen und das Bekannte hinter mir zu lassen, hat mir sehr gefallen. Zu dieser Zeit hat mich ein Fotograf angesprochen. Und nach den ersten Testbildern war ich Feuer und Flamme. Bei den ersten Jobs war noch meine Mama mit dabei, ich war ja noch ein Teenager.“ Natalie Moosmann kann sich noch gut an ihren ersten großen Photoshoot erinnern, immerhin stand sie – noch als Natalie Uher- für die deutsche Ausgabe des „Playboy“ vor der Kamera. „Die Fotoaufnahmen sind in Ibiza entstanden. Ich war damals erst 15 Jahre alt. Es war meine erste Flugreise überhaupt, das erste Mal, dass ich das Meer gesehen habe!“ Mit der Veröffentlichung der Bilder mussten die Herausgeber allerdings noch ein Jahr warten, das Mindestalter der „Playmates“ lag bei 16 Jahren. Im Jahr 1984 schließlich war Natalie „Playmate des Monats September“, und ihr war klar, dass keine weiteren „Monate in so einem Kalender“ folgen sollten: „Mir haben die Fotos zwar gut gefallen, ich wusste aber sofort, dass das nicht die Schiene war, in der ich weiter arbeiten wollte. Ich habe mich ohnehin in dem Jahr vor Erscheinen der Bilder bereits selbst auf den Weg gemacht.“

Fotoshooting in London; Foto: ©Natalie Moosmann

Fotoshoot in London; Foto: ©Natalie Moosmann

Natalie Moosmann kann also die Erfahrung nicht teilen, der „Playboy“ wäre Sprungbrett in die Modelwelt: „Es ist ein Auftrag. Vielleicht eine andere Art Auftrag – eben Aktfotografie. Die Medien haben sich natürlich darum gerissen. Dass das jede Menge Staub im kleinen Ländle aufwirbeln würde, war klar. Immerhin war ich damals das jüngste Playboy-Model überhaupt. Als die Fotos erschienen sind, habe ich längst meine eigenen ersten Schritte im Modelbusiness gemacht: Ich habe die Schule abgebrochen und wollte nur noch arbeiten.“ Natalie Moosmann hat sich einen eigenen Kundenstock aufgebaut, ist nach Wien gezogen und von dort aus zu ihren Aufträgen in der halben Welt gereist. „Ich habe im Lauf der Zeit immer wieder auch fixe Kooperationsaufträge in diversen Großstädten erhalten“, erzählt sie. „Ich hatte überall verstreut meine Jobs, hatte eine Agentur in München, ein in Wien, in Zürich und London. Und so bin ich viel herum gekommen.“

Mit Demütigungen und verzerrtem Öffentlichkeitsbild umgehen

Abgesehen von der Möglichkeit zu reisen und die Welt kennen zu lernen, ist die Arbeit in der Modelwelt natürlich vor allem eines: ein beinhartes Business: „Es gab Zeiten, da bin ich beinahe täglich zu 20 Castings gegangen“, bestätigt auch Natalie Moosmann. „Überall muss man sein Bestes geben und sich von seiner besten Seite präsentieren. Wenn du Glück hast, ergatterst du einen Job. Es kann aber auch sein, dass der ganze Tag nichts bringt. Für jeden Job gibt es viele Mitbewerberinnen, die genau dasselbe wollen wie du selbst. Der Kunde hat eine ganz bestimmte Vorstellung. Und entweder entsprichst du der oder eben nicht. Es war mitunter recht demütigend, was ich da als Mensch erlebt habe“, erzählt sie: „Ich bin komplett auf mein Äußeres reduziert und manchmal auch richtig nieder gemacht worden – wenn auch vielleicht oft unbewusst. Und das muss man aushalten, egal wie man selbst gerade drauf ist.“

Dazu kommt, dass ab einem gewissen Bekanntheitsgrad natürlich auch in diversen Medien berichtet wird. Natalie Moosmann hat in diesem Bereich nicht immer nur Gutes erlebt: „Ich habe leider oft Zitate von mir lesen müssen, in denen ich mich selbst nicht mehr wieder erkannt habe. Und ich konnte nichts dagegen tun. Da ist man machtlos. Es hat dann auch tatsächlich eine Zeit gegeben, in der ich gar keine Interviews mehr gegeben habe, weil ich zu oft enttäuscht worden bin. Ich habe mich damals bewusst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, auch damit umzugehen, habe gelernt, dass das ein Teil meines Berufes war.“ Und Natalie Moosmann hat viele Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet. Als Model stand sie unter anderem für so renommierte Zeitschriften wie „Cosmopolitan“ und „Harper’s Bazaar“ vor der Linse.

Bildinformation:
*Natalie Moosmann in „Harper’s Bazaar“; Foto: ©Rudi Margreiter
*Natalie Moosmann: Kosmetikwerbung „Louis Widmer“; Foto: ©Studio Roth

Plötzlich Filmsternchen

Und dann, trotz aller Vorsicht, hat sie doch noch einmal ungewollt Schlagzeilen und noch einmal in der Öffentlichkeit von sich Reden gemacht: im Jahr 1988 nämlich, als sie in der Erotikfilm-Serie „Emmanuelle“ als Hauptdarstellerin mitwirkte. Jener Fotograf, der die junge Natalie Uher ein paar Jahre zuvor bereits für den „Playboy“ engagiert hatte, hat sie für diese Rolle vorgeschlagen: „Zunächst war von einer Nebenrolle die Rede. Und dann war es plötzlich die Hauptrolle! Ich war zu der Zeit bereits verheiratet mit meinem Mann Markus – wir sind übrigens seit meinem 17.Lebensjahr ein Paar, und gemeinsam haben wir uns das Drehbuch angesehen. Und dieses erste Drehbuch, das wir da gelesen haben, war aufregend wie ein James Bond-Film. Klar, mit erotischen Szenen, aber sehr spannend. Und es hat mir sehr gut gefallen.“
Bei der Umsetzung des Films schließlich habe es Schwierigkeiten gegeben, erzählt Natalie Moosmann: „Die Dreharbeiten in Venezuela waren mit Auflagen verbunden wie etwa der Anstellung von Crew- und Kamerateams aus dem dortigen Land. Die Arbeitsmoral der Menschen war natürlich eine andere, als es die Produzenten von Frankreich gewohnt waren.“ Schlussendlich seien die Dreharbeiten abgebrochen und zurück nach Frankreich verlagert worden, das Drehbuch wurde komplett geändert: „Viele Szenen sind gestrichen worden, andere umgeschrieben. Ich war danach nicht mehr glücklich mit der Rolle. Deshalb hätte ich nach Abschluss der Produktion auch nie ehrlich sagen können, dass das ein toller Film für mich war und alles super verlaufen ist. Ich habe in den Interviews danach von den wahren Umständen erzählt und auch offen gesagt, dass ich nicht glücklich mit dem Ergebnis bin. Und das war natürlich für die Presse ein gefundenes Fressen… Und der Rest ist Geschichte.“

Reisen hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin

Natalie Moosmann hat sich danach erneut aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, ist nach ihrem Abstecher ins Filmbusiness wieder ins Modelgeschäft zurückgekehrt und war damit auch ganz glücklich, betont sie: „Ich war wieder viel unterwegs. Mein Mann Markus war in dieser Zeit immer an meiner Seite. Er hat sich selbständig gemacht und wir sind zu zweit von Auftrag zu Auftrag gereist. Gerade in Situationen, in denen es nicht so gut läuft und man irgendwo in der Fremde ist, ist es wirklich schön, wenn man einen Partner bei sich hat. Ich konnte mich austauschen, hatte jemanden bei mir, der mich auffing und wieder aufbaute. Da hatte ich einen großen Vorteil gegenüber vielen anderen jungen Models, die das alles alleine in irgendwelchen Hotelzimmern mit sich selbst ausmachen mussten. Wir haben die Reisezeit zu zweit sehr genossen. Es war die spannendste und schönste Zeit in meinem Modelleben.“

Natalie und Markus Moosmann – gemeinsam in Senegal 2014; Foto: Natalie Moosmann

Natalie und Markus Moosmann – gemeinsam in Senegal 2014; Foto: ©Natalie Moosmann

Die Moosmanns haben zahlreiche Länder und Städte kennen gelernt, es sei ein „einziges großes Abenteuer“ gewesen, in dem beide viel gelernt haben, erzählt die heute 51-Jährige: „Es hat unser Leben sehr bereichert und mich ganz bestimmt auch zu dem gemacht, was ich heute bin“, schwärmt sie. „Reisen öffnet die Augen, du lernst die Menschen besser kennen. Durch meine Jobs in Ländern wie beispielsweise Brasilien bin ich auch mit bitterer Armut konfrontiert worden. Oft ist die Armut so präsent, dass man schon blind sein muss, um sie zu übersehen. Es ist mir immer mehr bewusst geworden, wie gut es uns selbst geht. Wir sind so privilegiert, werden aufgefangen von einem stabilen Sozialnetz, jedes Kind hat die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Das ist in anderen Teilen unserer Erde einfach noch lange keine Selbstverständlichkeit. Diese Zeit war vielleicht noch nicht der Auslöser für meine heutige Tätigkeit“, denkt Natalie Moosmann laut nach, „aber ich glaube, dass hier die Wurzeln dafür schon in diese Richtung gewachsen sind“.

Der Rhythmus zieht mich an wie ein Magnet

Der wahre Auslöser, ihrer heutigen Berufung zu folgen, kam ein wenig später: mit dem Zeitpunkt nämlich, als Natalie Moosmann ihre Liebe zum Trommeln entdeckt hat. In all den Ländern, in die sie gereist ist, sei die jeweilige Musik immer das gewesen, was sie besonders fasziniert hat: „Es war vor allem der Rhythmus. Ich war für einen Model-Job gerade in Mauritius, die Musik war immer sehr präsent, und dort habe ich mir vorgenommen, irgendwann einmal selbst Trommeln zu lernen.“

Trommeln macht Spaß; Foto: ©Natalie Moosmann

Trommeln macht Spaß; Foto: ©Natalie Moosmann

Es sollte allerdings noch eine ganze Zeit dauern, bis sie dieses Vorhaben auch tatsächlich umsetzen würde: „Erst viel später, da war ich Ende 30 und wir hatten schon zwei unserer drei Kinder, hat es dann endlich doch geklappt. Wir waren in Italien im Urlaub und dort habe ich auf einem Markt Trommeln gehört. Die Faszination hat mich sofort wieder gepackt. Es war ein Senegalese, der Trommeln verkauft hat. Es hat mich angezogen wie ein Magnet, und ich habe tatsächlich zwei Trommeln gekauft und mit nach Hause genommen.“
Bald darauf hat sie in Vorarlberg an Seminaren und Kursen teilgenommen, um möglichst viel über das Trommeln zu lernen: „Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Auch meine Kinder wollten es unbedingt lernen, später dann auch deren Freunde und die Kinder meiner Freunde. Eins führte zum anderen und schließlich hatte sich ein geniales kleines Kinder-Trommelgrüppchen um mich herum gebildet, mit der ich eine tolle Zeit erlebt habe. Wir haben als Sunshine Drums Group Auftritte im In- und Ausland absolviert und haben sogar eine CD herausgebracht.“

Wissen und Energie austauschen

In Natalie Moosmann löst Trommeln ein „absolut befreiendes Gefühl“ aus. Sie umschreibt es mit einer Art „Loslassen“ von allem rundherum: „Ich kann meine Gedanken neu ordnen und in eine andere Welt tauchen, die mir Energie gibt. Noch heute bemerke ich, wie meine Kursteilnehmer in unserem Trommeltreff in Dornbirn teils stressbeladen zum Unterricht kommen, und wie leicht sie dann nach dem Trommeln nach Hause gehen. Es ist ein tolles Gefühl, das weitergeben zu können, was mich selbst so fasziniert. Ich bin ein Mensch, der gerne gibt und schenkt – auch Zeit, Wissen und Energie.

Trommeln in Senegal 2006; Foto: ©Natalie Moosmann

Trommeln in Senegal 2006; Foto: ©Natalie Moosmann

Im Jahr 2006 entschied sich Natalie Moosmann daher, sich weiter auf diesem Gebiet fortzubilden, traditionelle Rhythmen direkt in den Ländern zu lernen, aus denen sie ursprünglich kommen. Und sie wollte mehr über die Geschichte dahinter erfahren: „Direkt in einem Land der Trommeln zu lernen, das war mein Traum“ erzählt sie und beschreibt, wie sie Workshop-Organisatoren in Ghana, Gambia, Neuguinea und dem Senegal angeschrieben hat. Eine einzige Antwort hat sie bekommen – und die kam aus Senegal. Also ist Natalie Moosmann dorthin gereist. Dass sie dieses Land bis heute nicht mehr loslassen würde, hat sie damals noch nicht geahnt.

Im Rhythmus der Trommeln zur Entwicklungshilfe

An ihre erste Begegnung mit einem senegalesischen Kind kann sich Natalie Moosmann noch sehr gut erinnern: „Ich kam in den Innenhof meines Trommellehrers. Eine Frau hat Wäsche gewaschen, und ihre kleine Tochter hat sich hinter ihr versteckt. Sie war so entsetzt, als sie mich sah. Das Mädchen hatte noch nie eine Frau mit heller Hautfarbe gesehen. Auch als wir uns später schon lange kannten, ist das Mädchen immer wieder einmal über meine Haut gestreift und hat gemeint: Da muss doch endlich einmal die Farbe durchkommen!“ Diese und viele andere Begegnung haben Natalie Moosmann sehr geprägt und sie spürte bald, dass sie nicht das letzte Mal nach Senegal gereist war. „Bei meiner Abreise hat mich die Tante des Trommellehrers zurückgehalten, auf den Boden gespuckt und mir zu verstehen gegeben, dass ich da darüber steigen musste. Dadurch würde ich bald wieder zurückkommen.“

Und so war es dann auch: Natalie Moosmann ist noch im selben Jahr erneut nach Senegal gereist und hat mit ihrem Trommellehrer vereinbart, Interessierte aus Vorarlberg dazu zu motivieren, bei ihm Trommeln zu lernen: „Bei der ersten Gruppe, mit der ich danach nach Senegal zurück gekommen bin, war auch meine älteste Tochter dabei. Sie war damals 13 Jahre alt und begeistert.“ In den folgenden drei Jahren hat Natalie Moosmann immer wieder Trommelreisen organisiert und während dieser Zeit auch viele einheimische Familien kennen gelernt: „Ich durfte in ihr Leben hineinsehen, ihre Probleme und Sorgen erfahren. Und mir war irgendwann klar: ich würde mehr organisieren müssen, als nur Trommelreisen.“

Bildinformation:
*Auftritt im „Conrad Sohm“ in Dornbirn 2007; ©Natalie Moosmann
*Afrika Drum 2010; Foto: ©Natalie Moosmann

Bildung als Schlüssel zur Weiterentwicklung

Zunächst wer es ihr Traum, ein Waisenhaus zu bauen. Natalie Moosmann hat mit eigenen Augen gesehen, wie viele Kinder ohne Eltern auf der Straße aufwachsen müssen. Doch für diesen Traum hat sie schlussendlich niemanden vor Ort gefunden, dem sie so sehr vertraut hätte, um ein derart großes Projekt durchführen zu können. „Ich habe gelernt, dass ich da sehr vorsichtig sein musste“, erklärt sie. Also hat sie eine in Senegal tätige Österreichische Organisation gesucht, um auf diesem Weg einen seriösen Ansprechpartner zu finden. Dabei ist Natalie Moosmann auf die „Leprahilfe Senegal“ gestoßen. „Die Organisation ist in dem Dorf ansässig, um das ich mich bis heute kümmere: in MBalling, das rund 100 Kilometer südlich von Dakar liegt. Ich konnte also mit zuverlässigen Menschen meinen Verein langsam aufbauen und mir war schnell bewusst, dass ich meine Energie in Bildung, in Schulen lenken musste.“

Ein halbes Jahr später hat Natalie Moosmann über 90 Schulkinder „übernommen“, um für sie das Schulgeld aufzutreiben, das sich deren Familien nicht oder nur zum Teil leisten konnten. „Die erste große Spende kam von einem Pfarrer aus Frastanz“, fügt sie hinzu. „Der hat mich gefragt, was ich denn machen würde, wenn ich eine größere Spende bekäme. Ich antwortete sofort: Eine Schule bauen. Mit seiner Spende konnte ich zwar keine ganze Schule bauen, aber den Grundstein für meinen heutigen Verein legen. Ich war damals unendlich dankbar für diese Geste. Es war der notwendige Stupser, die Bestätigung, vielleicht auch das Zeichen dafür, dass der Weg gut war, den ich eingeschlagen habe.“

Vollzeitehrenamt

Zu diesem Zeitpunkt ahnte Natalie Moosmann, dass das eine mehrjährige Aufgabe für sie werden würde. „Wenn nicht sogar eine Lebensaufgabe! Es ist jedenfalls bis heute mein Vollzeitehrenamt.“ Ihr Verein „Wissen macht stark“ war am Anfang tatsächlich eine „One-Woman-Show“. Paten für die Schüler und Spender für das Schulgeld suchen standen zunächst im Vordergrund: „Es ist natürlich nicht immer einfach, die Menschen zu motivieren. Vorarlberg habe ich da aber als sehr offen erlebt, ich habe in den vergangenen Jahren große Unterstützung erfahren – natürlich auch Skepsis und Bedenken: Wo geht das Geld hin? Welche Verwaltungskosten stecken dahinter? waren die häufigsten Fragen. Die Verwaltungskosten liegen bei uns übrigens bei nur einem Prozent, und da bin ich ganz stolz drauf“, erklärt Natalie Moosmann. „Wir haben seit Jahren einen eigenen Wirtschaftsprüfer, dadurch sind die Spenden an uns auch steuerlich absetzbar.“

„Wissen macht stark“ ist heute ein Verein mit einem sechsköpfigen Vorstand und vielen freiwilligen Helfern. Über die Homepage kann sich jeder melden, der spenden oder selbst mithelfen will. „Die freiwilligen Helfer, die mit uns nach Senegal reisen, sind sehr wichtig für unsere Arbeit, denn es hängst von ihrer Zahl ab – und natürlich von jener der Paten und Spender -, wie viel oder wie wenig wir bei unseren Aufenthalten in MBalling umsetzen können.“

Bildinformation:
*Senegal 2011; Foto: ©Natalie Moosmann
*Senegal 2012; Foto: ©Natalie Moosmann
*Schultaschen für Senegal 2013; Foto: ©Natalie Moosmann

Ich weiß, ich kann nicht allen helfen

Mittlerweile hat der Verein auch direkt im Dorf Mitarbeiter: Unter ihnen ein Senegalese, der bereits als Student zum Helfen kam und nach seinem Germanistikstudium beide Sprachen beherrscht – für Natalie Moosmann ein Glücksfall: „Er hilft mir dabei, die Berichte und Steckbriefe über die Kinder zu schreiben und die Geschichten der einzelnen Familien zu recherchieren. Ich brauche auch die Zeugnisse der Kinder, bevor die Paten dann für ein weiteres Jahr das Schulgeld einzahlen. Jedes Zeugnis ist quasi eine Bestätigung dafür, dass die Kinder auch tatsächlich in die Schule gehen. Auf den Zeugnissen stehen auch die Fehlstunden und –tage, das ist für uns ganz wichtig. Wenn längere Unterbrechungen vermerkt sind, dann gehen wir der Sache nach. Jeder einzelnen.“

Beim Verein „Wissen macht stark“ sind allein für dieses Schuljahr 50 Neuanmeldungen eingegangen. Und natürlich kann die Organisation nicht jedes Kind unterstützen. Umso wichtiger sind die Berichte über die einzelnen Familien: „Wir müssen wissen, mit wie viel Einkommen die Menschen auskommen müssen, wie viele Geschwister bereits arbeiten oder in die Schule gehen, wie die Familien wohnen. Wir sehen uns sehr gut an, welchen Kindern wir mit wie viel Geld unter die Arme greifen. Ich muss eine Vorentscheidung treffen. Und manchmal müssen wir eben auch Anträge abweisen. Auch wenn es schwer fällt. Ich weiß, dass ich nicht allen helfen kann.“

Bildinformation:
*Eröffnungsfeier College 2014; Foto: ©Stefan Radi
*Eröffnungsfeier Grundschule 2015; Foto: ©MEDIArt | Andreas Uher; Projekt „Wissen macht Stark“, Senegal, Mbaling
*Schulbau 2015; Foto: ©Natalie Moosmann
*Schulbesuche 2015; Foto: © MEDIArt | Andreas Uher; Projekt „Wissen macht Stark“, Senegal, Mbaling

Recherche direkt im Ort und in den Familien

Natalie Moosmann und ihr Team besuchen die Familien nach dieser Vorauswahl persönlich. Jährlich reisen sie jeweils im Frühjahr und im Herbst für ein paar Wochen nach Afrika „Wir haben da 13-Stunden-Tage, um alles zu schaffen. In den vergangenen Jahren hatten wir immer freiwillige Helfer dabei: Pensionisten, Studenten, Menschen aller Altersgruppen, die sich sozial engagieren und mithelfen möchten. Wir haben unser Büro mitten im Dorf in der Grundschule. Es ist eine sehr spannende Aufgabe, für Frauen ist die Reise übrigens sehr sicher, es ist politisch ruhig, man kann sich frei bewegen, ohne dass man Angst haben muss. Der Großteil der Schulen, die wir unterstützen, ist zwar christlich geführt und nimmt dennoch muslimische Kinder auf. Ich habe in Sachen Toleranz noch nie Probleme in dieser Hinsicht erlebt. Das ist ein beruhigendes Gefühl.“

Schülergespräch 2015; Foto: ©MEDIArt | Andreas Uher; Projekt

Schülergespräch 2015; Foto: ©MEDIArt | Andreas Uher; Projekt „Wissen macht Stark“, Senegal, Mbaling

Momentan sind es exakt 161 Kinder, die der Verein „Wissen macht stark“ betreut – vom Kindergartenkind angefangen bis hin zum Studenten. Ein Jahr auf einer privaten Fachhochschule kostet beispielsweise bis zu 1.000 Euro. „Das ist unmöglich für eine Familie, die monatlich nicht einmal 20 Euro für Schulbildung übrig hat. Wenn wir eine Familie ausgewählt haben, dann tragen die Eltern für das Kind immer so viel an finanzieller Unterstützung bei, wie es ihnen möglich ist. Wir lassen sie nicht komplett aus der Verantwortung. 1.000 Euro pro Jahr und Kind ist unsere Obergrenze, die wir uns gesetzt haben. Es sei denn, es handelt sich um Vollwaisen, dann zahlen wir auch mehr. Denn diese Kinder hätten sonst überhaupt keine Chance.“

Wenn die Entwicklungshelferin nach ihren Reisen nach Senegal dann wieder zuhause in Dornbirn ist, gibt es noch mehr als genug für den Verein zu tun: Sie schreibt etwa Nachberichte, kümmert sich um die ordentliche Abwicklung, lukriert weitere Paten und Spender. „Oder ich steh vier Wochen lang täglich hinter unserem Stand am Weihnachtsmarkt und spreche mit den Menschen, die interessiert sind, mache also intensive Öffentlichkeitsarbeit.“ Und abends leitet Natalie Moosmann dann ihre Trommelworkshops, mit denen sie ihren eigenen Lebensunterhalt verdient.

Bildinformation:
*Vortrag über „Wissen macht Stark“ – Natalie Moosmann im Sozialzentrum Lustenau 2013; Foto: ©MEDIArt | Sabine Flatz
*T-Shirt-Malaktion 2015; Foto: ©MEDIArt | Andreas Uher; Projekt „Wissen macht Stark“, Senegal, Mbaling

Begleitung in die Arbeitswelt

Wenn die Schüler, die vom Verein „Wissen macht stark“ unterstützt worden sind, ihre Ausbildung abgeschlossen haben, dann sorgt Natalie Moosmann dafür, dass die, die das wollen, wiederum beim Aufbau des Schulsystems im Dorf eine Arbeit bekommen. „Wir haben mittlerweile vier Schulgebäude errichtet, bauen zurzeit einen Kindergarten und planen für heuer, 2019, den Bau eines weiteren Schulgebäudes sowie ein Haus mit Toiletten, Lager und Umkleidekabinen für den Fußballverein. Immer wieder sind einige unserer ehemaligen Schüler als Handwerker mit eingebunden.“
Und auch sonst verfolgen die Ehrenamtlichen aus Vorarlberg den Werdegang „ihrer“ Schülerinnen und Schüler nach ihrer Ausbildung natürlich mit großem Interesse: „Einer unserer Schüler hat beispielsweise gerade seine Doktorarbeit in Agrarwissenschaften gemacht und arbeitet beim Ministerium, eine andere hat einen tollen Job bei der Zollbehörde am Flughafen in Dakar“, kann Natalie Moosmann stolz berichten.

Gebildete Generation führt das Dorf in die Zukunft

Natürlich gibt es auch Rückschläge. Mitunter schafft ein Schüler die Anforderungen nicht oder ein Mädchen wird schwanger und bricht die Schule ab. „Das sind dann Umstände, bei denen ich schon schwer schlucken muss“, gesteht Natalie Moosmann. „Und insgeheim habe ich mich dann auch schon gefragt, ob es vielleicht ein anderes Kind geschafft hätte. Ich habe ja auch ein gewisses Verantwortungsgefühl den Paten gegenüber. Aber manchmal hält sich das Leben eben nicht an Pläne, und das muss man dann auch akzeptieren.“

Was sie dann umso mehr freut, ist, wenn ihre Schulabsolventen wiederum deren Geschwister finanziell auf ihrem Bildungsweg unterstützen können. „Sie haben erkannt, was durch Wissen möglich ist. Ich kann davon ausgehen, dass jeder Schüler, der von uns unterstützt wird, ein oder zwei weiteren jungen Menschen im Familienkreis die Ausbildung ermöglicht und sie mitzieht. Das wäre alles in allem ja der Sinn der Sache: dass sich das alles irgendwann selbst weiter entwickelt. Ich baue sehr auf die Jugendlichen in MBalling. Ihre Eltern können ja meist selbst nicht lesen und schreiben. Die Generation, die jetzt eine Ausbildung bekommt, das sind die, die das Dorf in die Zukunft führen. Da bin ich mir ganz sicher.“

Lebensschule für junge Frauen

Die bislang größten Veränderungen in den vergangenen zehn Jahren merkt Natalie Moosmann im Gespräch mit „ihren“ Schülern: „Die Einstellung der Jugendlichen hat sich deutlich weiterentwickelt. Die ersten Schüler, mit denen ich damals in meinen Anfängen ins Gespräch gekommen bin, haben noch nicht so offen über Lebensthemen oder gar Gefühle gesprochen. Diese Verschlossenheit hat sich aufgeweicht. Ich kann mit ihnen etwa ganz sachlich und konkret über Familienplanung sprechen. Die Zeiten, in denen die jungen Menschen eine Familie mit zehn Kindern planen, sind vorbei. Das ist für sie nicht mehr das große Ziel, das es noch für ihre Eltern war“, weiß Natalie Moosmann und verweist auf die Schneiderei in MBalling, in der momentan 32 Frauen Arbeit finden, die bislang die Schule aus unterschiedlichsten Gründen kaum oder nicht besucht haben. „Unser Plan ist es, gemeinsam mit diesen Näherinnen eine Art „Lebensschule“ für Frauen zu entwickelt. Eine Schule, in der die unterschiedlichsten Themen behandelt werden, mit denen man sich als junge Frau eben konfrontiert sieht. Und das Interesse ist groß, die Vorschläge der Frauen vielfältig.

Gut hinhören und mit den Menschen mitwachsen

Und Natalie Moosmann weiß, dass sie auf diese Vorschläge angewiesen ist. Denn die Ansprüche der Menschen in Senegal sind oftmals nicht dieselben wie ihre eigenen: „Da muss man schon genau hinhören und sehr feinfühlig mit- und umdenken. Wir wollen den Menschen in MBalling ja nichts aufzwingen, das für sie komplett gegen die eigene Natur und Lebenskultur ist. Meine Vorstellungen müssen manchmal hinten anstehen und ich habe gelernt, nicht sofort Entscheidungen zu treffen, sondern zunächst einmal die Umstände und die Hintergründe genau zu erkunden.“ Deshalb können mitunter gut anderthalb Jahre vergehen, ehe sich die Entwicklungshelferin auf die Umsetzung eines bestimmten Projektes festlegt. „Dafür weiß ich dann, dass es auf die Zukunft hin ausgerichtet ist und nicht nach einer kurzen Zeit wieder im Sand verläuft. Denn da wäre sonst jeder Euro umsonst.“

Im Juli 2018 hat der Verein nun zusätzlich die „Leprahilfe Senegal“ übernommen. Der bisherige Obmann hat sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen, es fand sich niemand, der sein Amt weiter geführt hätte. „Nun hat mein Mann Markus das Amt angenommen und wir haben uns vorgenommen, die beiden Vereine langsam zusammenwachsen zu lassen. Auch da kommen also immer wieder neue Aufgaben auf mich zu. Eines ergibt das nächste. Das bedeutet zwar viel Arbeit, aber es ist auch unglaublich motivierend.“

Familie Moosmann 2016; Foto: ©Natalie Moosmann

Familie Moosmann 2016; Foto: ©Natalie Moosmann

Innere Ruhe und Lebenssinn

Für ihr Engagement ist Natalie Moosmann kürzlich mit dem Kinderrechtepreis 2018 des Landes Vorarlberg ausgezeichnet worden – eine schöne Bestätigung für ihren unermüdlichen Einsatz. Die Preisträgerin hofft nun, dass sie das Bildungs- und Gesundheitssystem in MBalling in den kommenden Jahren noch weiter auf- und ausbauen kann. „Mein Traum ist es, dass sich das alles von Jahr zu Jahr ausweitet und weiter entwickelt“, erklärt Natalie Moosmann.

Senegal 2018; Foto: ©Christian Vögel

Senegal 2018; Foto: ©Christian Vögel

„Alles in allem hat mir die ehrenamtliche Arbeit in Afrika zu einer Art innerer Ruhe verholfen. Ich habe in meinem Leben etwas gemacht, das in meinen Augen Sinn macht. Etwas, das mir Freude macht und mit dem ich anderen Menschen Freude schenken kann. Ich habe etwas bewirkt, mit dem ich zufrieden sein kann. Auch mit mir selbst. Das macht mich glücklich. Ich würde alles in meinem Leben genauso wieder machen, denn es hat mich hierher geführt.“

Verfasst im Jänner 2019

2 Kommentare
    • schwarz-auf-weiss
      schwarz-auf-weiss sagte:

      Herzlichen Dank, das freut uns sehr!
      Liebe Grüße von Elisabeth, Claudia und Angelika

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