Mirjam Steinbock

Kulturmanagerin und -journalistin, PR-Frau, Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg

Die ausgebildete Goldschmiedin kommt ursprünglich aus dem Münsterland in Deutschland und ist mittlerweile seit über zehn Jahren als Texterin, Kulturarbeiterin und PR-Frau in der Vorarlberger Kulturszene fest verankert. Seit anderthalb Jahren leitet Mirjam Steinbock als Karenzvertretung die IG Kultur, die Interessengemeinschaft für autonome Kulturarbeit in Vorarlberg. Die Kraft für ihr kulturpolitisches Gestalten und Wirken schöpft sie zum einen aus ihrer langjährigen Erfahrung in wirtschaftlichen Berufen, andererseits aus ihrer Fähigkeit, sich und andere zu begeistern:

„Begeisterung treibt mich an“, bekräftigt Mirjam Steinbock auch prompt, als wir sie – erfrischend motiviert und interessiert – in einem Café in Dornbirn zum Interview treffen. „Wenn ich von etwas wirklich begeistert bin, dann kann ich mit all meiner Kraft an die Sache herangehen. Ich liebe es, wenn eine gute Idee in mein Leben geflattert kommt – egal, ob diese Idee von mir selbst kommt oder von jemandem anderen, der mich um Hilfe bei der Umsetzung bittet.“

Titelfoto: ©Mark Mosman

Eine Mischung aus Plattdeutsch und Vorarlberger Dialekten

Eine weitere Kraftquelle für die 45-Jährige ist die Natur: „Ich bin gerne draußen, brauche die Natur und ihre Rhythmen. Das stärkt mich. Und es schafft einen guten Ausgleich zwischen Im Leben Sein und Bei mir selbst Sein. Denn neben all dem Organisieren, dem Texten und Konzepteerstellen lasse ich mich auch gerne auf der Herzensebene berühren – da merke ich einfach, dass ich dann ganz nah bei mir sein kann.“
Beides, sowohl die Natur als auch die Möglichkeit zum inneren Rückzug hat ihr die Umgebung geboten, in der Mirjam Steinbock aufgewachsen ist: Sie stammt aus Nordrhein-Westfalen im Westen Deutschlands. Dorthin hatte es ihre Mutter – eine gebürtige Vorarlbergerin – der Liebe wegen verschlagen. „Ich liebe den Vorarlberger Dialekt, bin aber mit Hoch- und Plattdeutsch aufgewachsen und keine Native Speakerin. Seit rund zwanzig Jahren lebe ich im Ländle und habe von allen geografischen Stationen etwas auf- und mitgenommen. Das ist ein bisschen wie Ich packe meinen Sprachkoffer und nehme mit… und kann in der Aussprache manchmal etwas eigenartig klingen“, lacht sie.

Wildromantische Mädchenjahre

Mirjam Steinbock verbrachte ihre Jugend umgeben von viel weitläufiger Natur und Tieren. „Wir hatten mitten in der Pampas, mitten im Nirgendwo einen Bauernhof, eine Viertelstunde von der holländischen Grenze entfernt“, erzählt sie. „Es war kein landwirtschaftlicher Betrieb, sondern ein Selbstversorgerhof. Ein wunderschöner Gutshof, den meine Eltern in einem ganz miserablen Zustand übernommen und mit viel handwerklichem Geschick renoviert hatten. Sie haben beide einen Sinn für Schönes, für Ästhetik und handwerkliches Geschick. Wir hatten Pferde, Hunde, Katzen, einen großen Hühnerhof. Es war wirklich idyllisch und sehr lebendig“, schwärmt sie.

In der

In der „Upkammer“; Foto: ©Mirjam Steinbock

„Ich hatte in der Upkammer, also in der oberen Kammer des Hauses mein Zimmer und vom Schreibtisch aus einen Blick auf Getreidefelder, den nahegelegenen Fluss und abends die untergehende Sonne. Das hat mich ordentlich abgelenkt von den Schularbeiten, ich wollte dort einfach nur sein und zuschauen.“

Obwohl ihr Schulweg weit und die Anbindung an die nächste größere Stadt mühsam war, habe sie sich in ihrer Kindheit sehr wohl gefühlt. „Ich bin ein Einzelkind und in der Abgeschiedenheit gab es kaum einen sozialen Kontakt zu Gleichaltrigen. Rückhalt, Auseinandersetzung und meine Resonanzräume habe ich mir in der Natur geholt. Ich habe meine Zeit mit den Pferden verbracht, bin viel geritten und habe mich sehr glücklich gefühlt. Später, als Jugendliche, war ich mit meinem Mofa mobiler und habe meine Fühler ausgestreckt, einen großen Freundeskreis aufgebaut…“. Mirjams erster, fast schon logischer Berufswunsch war es, Tierärztin zu werden. Als sie dann aber im Alter von zwölf Jahren im selbstauferlegten „Berufstest“ bei der Kastration ihres Hundes assistieren durfte, wusste sie, dass das nichts für sie sein würde. „Ich war gut darin, unsere Tiere zu pflegen. Aber sie aufzuschneiden – nein, das war nichts für mich“, lacht sie herzlich.

Bildinformation:
Mirjam Steinbocks Jugendzeit auf dem Gutshof ihrer Eltern in Nordrhein-Westfalen; Fotos: ©Mirjam Steinbock

Goldschmiedin im Ländle

Mirjam Steinbock hat neben ihrer Liebe zur Natur und zu den Tieren auch sehr früh ihre kreative Ader erkannt: „Ich habe gemerkt: da ist etwas in mir, das arbeiten möchte, das etwas erschaffen will“, erinnert sie sich zurück. „Mode und die Arbeit mit Textilem hätten mich sehr interessiert, ein Studium in diese Richtung verhinderte aber die fehlende Zehntelnote im Abidurchschnitt. Ich hing in der Luft und wusste nicht, was ich tun soll. Über Verwandte erhielt ich Einblick in das Goldschmieden und entschied mich für eine Ausbildung, die ich in Essen machte.“ Nach ihrem Lehrabschluss hat sie noch ein Jahr lang im elterlichen Gastronomiebetrieb mitgeholfen, bevor sie sich ihren lange gehegten Wunsch erfüllte und nach Vorarlberg zog, um ihre Wurzeln kennen zu lernen.

Rechtzeitig und mit glücklichem Zufall erhielt sie eine Empfehlung aus Schruns, in einem Schmuckgeschäft am Kirchplatz wurde eine Goldschmiedin gesucht. Mit dem Bewerbungsgespräch wurde die Zusammenarbeit beschlossen „Das war eine tolle Zeit“, schwärmt die Kulturmanagerin rückblickend. „Meine Chefin hat mir den Aufbau und Betrieb der Goldschmiedewerkstatt komplett überlassen, die Ideen zum Angebot haben wir gemeinsam entwickelt. Außerdem hat sie hat mich in die Schrunser Gesellschaft eingeführt – ich bin ihr dafür heute noch dankbar, denn es ist ja nicht so einfach als Fremde in ein Dorfleben aufgenommen zu werden.“
Übrigens – auch Mirjams Eltern sind vor einigen Jahren wieder nach Vorarlberg, ins „Ländle“, zurückgekehrt und haben sich hier niedergelassen…

Auf der Suche nach einer beruflichen Heimat

„Bei mir ist es oft so“, erklärt Mirjam Steinbock, „ich baue etwas auf und wenn es gut läuft, möchte ich einen Schritt weiter gehen oder eine andere Richtung einschlagen. Genauso war es nach dem geglückten Aufbau der Schmuckwerkstatt: nach anderthalb Jahren wollte ich mich weiter entwickeln.“ Die Goldschmiedin ist zurück nach Deutschland gegangen, um die Meisterschule für Edelmetallgestaltung in Essen zu absolvieren: „Während dieser Zeit habe ich dann aber gemerkt, dass mir die Ausbildung schwer fiel und ich nicht die Ergebnisse liefern konnte, die ich mir gewünscht hätte. Ich habe abgebrochen, noch eine Weile als Gesellin in einem Goldschmiedebetrieb im Schwarzwald gearbeitet, dann aber erkannt, dass Metall einfach nicht mein Material ist. Da steckte etwas fest und das war ziemlich unbefriedigend.

Ich bin wieder nach Vorarlberg gezogen und habe bei einem Metall verarbeitenden Familienunternehmen einen Büro-Job bekommen, der erst einmal nur als Übergang gedacht war.“ Sechs Jahre ist sie in diesem Betrieb geblieben, hat viel gelernt – vor allem auch das „Rüstzeug für kaufmännisches Arbeiten“, wie die Kulturmanagerin es umschreibt. „Allerdings habe ich dann wieder diesen Ruf gehört, weiter zu gehen und Neues zu lernen. Und dann habe ich den Zeitgenössischen Tanz für mich entdeckt und es hat mich voll erwischt!“

Kultur ist meins, da will ich sein

„Was mit einem Tanzworkshop und viel Leidenschaft für die Sache begann, gipfelte rund vier Jahre später in ihrer Aufgabe als Geschäftsführerin von „netzwerkTanz“, einem Verein für zeitgenössische Bewegungskunst in Vorarlberg. „Ich habe schon früher gerne getanzt, aber erst 2007 habe ich beschlossen, dass der Tanz endlich eine Hauptrolle in meinem Leben spielen soll. Und die Entscheidung war eine sehr wichtige für mein Leben“, erklärt sie. „In diesem Workshop habe ich gleich gespürt: Hier bin ich zuhause. Das ist es! Es war auch eine enorme Aufbruchzeit für die Entwicklung von Tanz im Land und unglaublich beflügelnd, wie wir im Team von netzwerkTanz zu neuen öffentlichen Formaten wie beispielsweise die tanz kollektion angeregt und zu einem Bewusstsein für die Kunstgattung beigetragen haben. Ich wusste: Den Weg will ich weiter gehen. Tanz – überhaupt Kultur – ist ganz meins, da will ich sein.“

Mirjam Steinbock erlebte während dieser Zeit auch ihre erste Frauenbeziehung – „dieses Jahr 2007 war wirklich ein Wendepunkt für mich. Die Beziehung war etwas ganz Natürliches für mich, ich habe es gar nicht lange hinterfragt. Ich habe mich in einen Menschen verliebt, dieser Mensch war zufällig eben eine Frau. Und das war mir egal, ich war einfach nur fasziniert von dieser Person. Wir waren neun Jahre lang ein Paar.“

Bildinformation:
Mirjam Steinbock bei „netzwerkTanz“ – Format „OpenSpace“;
Fotos: ©Anja Köhler und ©Matthias Rhomberg

Vom Tanzen zum Schreiben

Insgesamt sechs Jahre lang war sie für den Verein „netzwerkTanz“ tätig, ehe Mirjam Steinbock beschloss, beruflich wieder ein Stückchen weiter zu ziehen. „An dieser Entscheidung hatte ich aber ehrlich gesagt gut anderthalb Jahre lang zu knabbern“, gesteht sie: „Ich habe die Arbeit dort geliebt und war mir lange nicht sicher, ob es richtig war, den Posten abzugeben.“ Heute, mit ein bisschen Abstand, kann sie sagen: „Es war gut so, und zwar für mich und für die Sache.“ Denn über die Arbeit als Geschäftsführerin ist Mirjam Steinbock zum Schreiben gekommen. „Ich habe ja immer wieder Konzepte und Pressetexte geschrieben, habe mich um die Öffentlichkeitsarbeit diverser Tanzkompanien und Festivals in Vorarlberg und im benachbarten Liechtenstein gekümmert. Das lag mir und hat mir zudem sehr viel Spaß gemacht.“ Sie blieb dem Tanz treu, initiierte das Projekt „story to go“ mit Tanz und Text im Rahmen der Tanzkompanie „bewegungsmelder“ , zu deren Leiterinnen sie gehört und baute parallel mit einem Angebot aus Presse- und Kulturarbeit sowie Veranstaltungsorganisation ihre Selbständigkeit aus.

Bildinformation:
Mirjam Steinbock bei der Tanzkompanie „bewegungsmelder“; Fotos: ©Patricia Begle und ©Caroline Begle

Interessengemeinschaft für autonome Kulturarbeit

Mit der Entdeckung des Tanzes verstärkte sich auch das ehrenamtliche Engagement der Kulturarbeiterin. Seit 2012 ist sie im Vorstand der „IG Kultur Vorarlberg“, also der Interessensgemeinschaft für autonome Kulturarbeit und Kulturinitiativen, tätig. 2017 wechselte sie als Karenzvertretung in die Geschäftsführung. Über 40 Kulturinitiativen in Vorarlberg sind in dieser Vereinigung eingebunden, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Bedingungen ihrer Mitglieder in der freien Kulturarbeit zu verbessern.
„Ich denke, bin ich recht gut darin, andere mitzuziehen und zu begeistern“, erklärt die Geschäftsführerin selbstbewusst: „Mit den Jahren habe ich gemerkt, dass im Erarbeiten eines gemeinsamen Ziels ganz viele unterschiedliche Wege zueinander führen. Bei kulturpolitischen Projekten finden sich immer wieder die unterschiedlichsten Kulturrichtungen, Netzwerke und Verbände zu einem gemeinsamen Punkt, zu einem gemeinsamen Anliegen oder einer gemeinsamen Forderung zusammen. Das bildet eine starke Basis. Als Teil davon mitzuwirken – gemeinsam mit engagierten Vertretern und Größen der Vorarlberger Kulturszene – das ist eine unbezahlbare Erfahrung für mich.“

Abschied in Würde

Neben ihren beruflichen Tätigkeiten in der Kultur engagiert sich das Organisationstalent als Obfrau bei „Abschied in Würde“, einem Verein, der Menschen jeglicher Konfession und Weltanschauung am Ende ihres Lebens eine würdige Verabschiedung in Form einer individuell gestalteten Trauerfeier ermöglicht. „In meiner Jugend auf dem Bauernhof habe ich immer wieder den Kreislauf von Geburt, Leben und Tod miterlebt und mir schon früh Gedanken über das eigene Sterben gemacht“, erklärt Mirjam Steinbock. „Heute weiß ich, dass das eine sehr reiche Basis ist, die mir die natürliche Umgebung für mein späteres Leben mitgegeben hat. Annehmen und Loslassen gehören zu den schwierigsten Dingen, mit denen wir im Leben konfrontiert werden. Der Tod und das Abschiednehmen sollten mehr in unser Leben integriert werden, und dafür treten wir mit unserem Verein ein.“

Mirjam Steinbock; Foto:©Patricia Begle

Mirjam Steinbock; Foto:©Patricia Begle

Apropos Abschied: Jetzt im Juni läuft ihre Karenzstelle in der IG Kultur aus, es wird wieder einmal Zeit für einen neuen Eintrag in Mirjam Steinbocks Lebenslauf. „Es wird ab Juli Freiraum entstehen, den ich ganz bewusst noch etwas auskosten möchte, bevor er sich mit etwas füllt. Es gibt schon eine ungefähre Vorstellung, was ich tun möchte. Und doch haben ungeplante Zeiten ohne klare Zielformulierung neben Unsicherheit und auch Herzklopfen für mich immer etwas Zauberhaftes. Mit all den Fragen, die auftauchen, entdeckst du neue Facetten in dir, das ist wunderbar. Die Schriftstellerin Hilde Domin formte einen Satz, der mir Zuversicht gibt. Sie sagte: Ich setzte meinen Fuß in die Luft, und sie trug.“

Verfasst im Juni 2018

4 Kommentare
  1. Hartmut Steinbock
    Hartmut Steinbock sagte:

    Dieser Artikel über Mirjam, macht uns als Eltern (Hannelore & Hartmut Steinbock) sehr stolz.
    Auch die anderen Persöhnlichkeiten lesen sich gut.

    Antworten
    • schwarz-auf-weiss
      schwarz-auf-weiss sagte:

      Wie schön, diese Worte von Mirjams Eltern zu lesen! Das ehrt uns sehr und wir freuen uns über das Kompliment. Vielen Dank, herzliche Grüße und weiterhin viel Freude beim Lesen :-)
      Angelika, Claudia und Elisabeth

  2. Karlheinz Zerlauth
    Karlheinz Zerlauth sagte:

    hallo mirjam,
    hab dich eben auf der orf seite gesehen
    ich erinnere mich gerne sn unsere zusammenarbeit bei ervo…
    machs gut und liebe grüsse aus dem montafon…
    karlheinz

    Antworten

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