Die Vorarlberger Modemacherin mit Kärntner Wurzeln hat vor knapp fünf Jahren ihr eigenes Label „adelmut“ gegründet. In ihrem Atelier in Lochau am Bodensee entwirft Regina Kieninger zeitlose Mode und individuelle Einzelstücke. Wichtig ist ihr dabei ein hoher ökologischer Standard – ihre exklusiven und bewusst klein gehaltenen Kollektionen tragen allesamt das weltweit anerkannte Öko-Siegel „GOTS“ („Global Organic Textile Standard“) und werden in Vorarlberg produziert.
Man muss nicht mit Modelmaßen, besonders flippig und modemutig unterwegs sein, um die Kleidung aus dem Hause Regina Kieninger zu mögen – auch wenn die Designerin mit ihren ungewöhnlichen Stulpen und dem auffallenden Hut durchaus einen extravaganten Anblick bietet. Ihre Mode ist für jeden tragbar, für jeden Geschmack ist etwas dabei und wenn nicht, dann zaubert die Stoffkünstlerin ganz einfach etwas Passendes.
Denn experimentierfreudig und leidenschaftlich sei sie schon immer gewesen, erzählt uns die quirlige Modemacherin, als wir sie in ihrem Atelier in Lochau besuchen. In den stilvoll eingerichteten Räumlichkeiten direkt an der Lindauerstraße wird Handwerk noch gelebt: die Ideen für die Kleidungsstücke, die in dem einen Zimmer so fein angeordnet auf den Kleiderbügeln hängen, haben einen Raum weiter ihr erstes Gesicht erhalten: denn hier werden Entwürfe gezeichnet und wieder verworfen, Materialien ausgesucht und kontrolliert, Prototypen getestet, geändert und von ihren künftigen Trägerinnen bejubelt.
„Leidenschaft zieht sich durch mein ganzes Leben“, erzählt Regina Kieninger fröhlich. „Ich koche zum Beispiel auch leidenschaftlich und sehr kreativ. Egal, was ich in meinem bisherigen Leben gemacht habe, ich habe es leidenschaftlich getan. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so etwas wie Langeweile verspürt zu haben“, lacht sie. Als Künstlerin sei sie auf der einen Seite sehr extrovertiert, auf der anderen Seite gebe es da allerdings auch Regina, die sensible Perfektionistin: „Ich bin sehr gewissenhaft und genau. Das setzt mich oft sehr unter Druck. Ich weiß heute, dass diese zwei Seiten in mir zusammenarbeiten müssen. Im kreativen Prozess kann ich gut im Chaos arbeiten, da geb ich Vollgas, da bleib ich dran. Danach muss aber alles wieder in eine Struktur gegossen werden“, erklärt sie.
Kärntner Bäuerin mit Stil
Regina Kieninger ist gemeinsam mit ihren zwei Brüdern in Krappfeld, der „Kornkammer“ Kärntens aufgewachsen. Ihre Großeltern beiderseits bewirtschafteten eigene Bauernhöfe. „Die Mutter meiner Mama war immer schon mein großes Vorbild. Wir Kinder sind auf ihrem Hof in dem kleinen Dorf Kappel am Krappfeld aus- und eingegangen. Es spielte keine Rolle, dass ich nach der Schule die vier Kilometer über Hügel und Täler zu meiner Oma laufen musste. Ich habe es leidenschaftlich geliebt!“, betont Regina Kieninger rückblickend. Dass sie sehr solide und bodenständig aufgewachsen ist, komme ihr heute immer wieder zugute: „Meine Oma und das, wofür sie stand, ist für mich bis heute präsent. Bewusst geworden ist mir das erst viel später. Sie hat immer einen Hut getragen, war von Kopf bis Fuß vom Schneider eingekleidet, wenn sie sonntags das Haus verließ. Das hat mich fasziniert. Sie hatte Stil. Eine sehr starke Frau, die vor allem während der Kriegszeiten viel mitgemacht und erlebt hat. Sie war auch sehr kreativ, genauso wie meine Mutter.“
„Ich bin eine Handwerkerin“
Von ihren Vater habe sie die Liebe zum Handwerk mitbekommen. „Ich habe ihm schon früh in der Werkstatt geholfen“, erzählt die Designerin. „Er war Landmaschinenschlosser und hat immer irgendwo herum geschraubt. Mir macht auch heute noch selten jemand etwas vor, wenn es darum geht, irgendwo irgendwas zusammenzuschrauben“, schmunzelt sie. „Ich tue gerne etwas, ich bin eine Macherin. Das kommt mir wiederum bei meiner Selbständigkeit zugute. Denn wenn man einen eigenen Betrieb hat – noch dazu Alleinunternehmerin ist – dann ist man für alles selbst verantwortlich, muss alles selbst in die Hand nehmen. Und das liegt mir schon.“
Von der Klosterschule in die Textilhochburg
Dabei wusste Regina als junges Mädchen länger nicht so ganz genau, welchen Bildungsweg sie einschlagen sollte. Im Alter von 14 Jahren hat deshalb zunächst einmal ein Jahr lang eine Klosterschule, ein katholisches Internat besucht. „Das war für mich purer Horror. Obwohl ich – im Rückblick betrachtet – sehr viel gelernt habe. Kochen, Servieren, Hausarbeit, Nähen, Sticken. Ich habe mich in die Arbeit gestürzt, wir hatten so gut wie keine Freizeit. 40 Mädchen waren wir damals, und am Wochenende durften wir im Gänsemarsch spazieren gehen. Eine Klosterschwester an der Spitze, eine in der Mitte und eine am Schluss“, lacht Regina Kieninger herzlich und wird dann wieder ernst: „Da war ich richtig eingesperrt. Schrecklich.“
Ihrer positiven Art tat das aber keinen Abbruch, danach hat sie sich an diversen Kunstschulen beworben und mehrere Aufnahmeprüfungen gemacht. „Meine Eltern sind mit mir bis ins Burgenland gefahren, um mir das zu ermöglichen.“ Gelandet ist sie schlussendlich an der Modeschule in Klagenfurt und hat anschließend an die Meisterschule für Mode und Design nach Graz gewechselt. „Und schließlich bin ich in die Textilhochburg Vorarlberg gezogen. Durch ein Gespräch auf einer Fachmesse hat sich für mich im Ländle ein Job als Designerin und Schnittkonstrukteurin bei einer Textilfirma ergeben. Und den habe ich sofort angenommen.“
Die „Ausländerin“ im anderen Bundesland
Regina Kieninger war 21 Jahre alt, als sie von Kärnten nach Vorarlberg zog. „Ich hatte die ersten zehn Jahre ganz fürchterliches Heimweh“, erzählt sie. „Ich bin alle drei Wochen nach Hause gefahren. Es gab damals ein Hin- und Retour-Zugticket, das zehn Tage gültig war, und das habe ich vor allem im ersten Jahr sehr oft genützt. Ich bin zu Beginn auch wie eine Ausländerin behandelt worden. Man ist mir sehr skeptisch begegnet. Das war wirklich hart, in dem Alter entwickelt sich man ja erst! habe viel erlebt. Auch Unschönes… Ich musste mich immer wieder von Neuem aufrappeln, mich immer wieder beweisen, habe dann auch meinen Arbeitgeber gewechselt.“
Richtig zuhause gefühlt habe sich Regina Kieninger in Vorarlberg erst, als sie Jahre später ihre erste Eigentumswohnung gekauft hat. Mittlerweile ist die Designerin längst richtig angekommen, sie ist verheiratet, hat eine 23-jährige Tochter und ist vor kurzem nach Dornbirn gezogen. Die Verbindung zu Kärnten ist natürlich nach wie vor aufrecht, sie fährt immer noch sehr gerne in ihr „altes Zuhause“, besucht Freunde und Familie und telefoniert fast täglich mit ihrer Mutter.
Regina Kieninger hat sich ein ganzes Berufsleben lang gegen unfaire Bedingungen in der Mode-Industrie gewehrt. Umso mehr, als sie sich selbst gerne schön anzieht und viel Wert auf das legt, was sie auf ihrer Haut trägt. „Ich muss mich darin wohlfühlen. Ohne Ausreden. Authentizität ist alles für mich.“ Die Designerin hat das Schnittzeichnen noch von Grund auf gelernt, hat in einer Zeit ohne Computer den digitalen Wechsel hautnah miterlebt. „Ich habe vom Schnittzeichnen übers Nähen bis hin zum fertigen Produkt alle Schritte gelernt. Oft merke ich, dass junge Menschen einzelne Produktionsschritte leider nicht mehr umsetzen können“, bedauert Regina Kieninger. „Dadurch haben manche Bereiche nur allzu oft auch keine Wertigkeit mehr. Da heißt es dann mitunter ganz simpel: Das Nähen übernimmt dann eh eine Näherin! Meine Mitarbeiterinnen, die ich teils fix und teils als Springer fürs Nähen angestellt habe, sind mir deshalb umso wichtiger. Ich schätze sehr, was sie leisten, denn ich weiß, was dahinter steckt.“
Arbeitszeit – Auszeit – Selbständigkeit
Direkt vor ihrem Sprung zur Selbständigkeit hat Regina Kieninger sechs Jahre lang bei der Firma „Capo“ als Designerin und Schnittentwicklerin gearbeitet, hat dort auch in Bereichen „Marketing“ und „ Organisation“ mitgearbeitet. „Da habe ich sehr viel dazu gelernt. Irgendwann kam ich aber dann doch zu dem Punkt, an dem ich zu mir selbst gesagt habe, dass es da für mich noch etwas anderes geben muss.“ Zu Ostern 2013 hat sie sich zwei Wochen Auszeit genommen und sich alleine in einer Hütte im Bregenzerwald zurückgezogen, um nachzudenken. „Die ersten beiden Nächte habe ich mich so richtig gefürchtet“, lacht sie. „Ich habe dann zufällig von einer Bekannten die Nachricht bekommen, dass ein kleiner Betrieb in Lochau wegen Pensionierung einen neuen Eigentümer sucht – ein Betrieb mit Bio-Mode aus fairem Handel sei es.“
Und mit der Übernahme der Firma „Creative Life“ hat Regina Kieningers Weg in die Selbständigkeit begonnen.
„Creative Life“ und „adelmut“
Das Label „Creative Life“ gibt es bis heute. Mit diesem Teil ihres Geschäfts stellt Regina Kieninger Auftragsmode von durchschnittlich 300 Stück pro Modell für Großkunden im Versandhandel her. Ihre eigene Linie „adelmut“ bedient Privatkunden mit ihren ganz eigenen Kreationen. Zu jenen fairen Bedingungen, die Regina Kieninger selbst immer so wichtig waren. Ihr Geschäftsmodell vereint sozusagen „Pflicht und Kür“.
„Mit adelmut kann ich meine ganz persönlichen Ideen verwirklichen, beispielsweise auch mit Schnitten, die normalen Frauenfiguren schmeicheln. Meine kleinen, exklusiven Serien werden zu 100 Prozent aus ökologischen Materialien gefertigt.“ Der Name „adelmut“ ist Regina Kieninger übrigens auf einer Alpe eingefallen. „Ich geh einfach so gerne in die Berge. Einmal in der Woche muss ich zumindest auf den Pfänder gehen, egal ob im Winter oder im Sommer.“
„Bio ist einfach nicht gleich Bio“
Der Weg in die Selbständigkeit stellte sich vor allem zu Beginn als nicht einfach heraus. Regina Kieninger hat sämtliche Einkäufer, die sie von den ursprünglichen Firmenbesitzern übernommen hatte, persönlich besucht. Und von diesen Großkunden hat sie gleich zu Beginn fast die Hälfte aussortiert. „Ich arbeite nämlich auch in diesem Bereich meines Geschäftes nur mit zertifizierten Betrieben in Europa zusammen. Die Qualität und die biologische Herstellung der gesamten Materialien ist mir ein Anliegen. Unsere Haut ist nun mal das größte Organ des Menschen, und warum sollten wir Bioprodukte essen und uns gleichzeitig mit chemischen Substanzen einkleiden?! Das ergibt für mich keinen Sinn. Wenn in einem Produkt beispielsweise Biobaumwolle draufsteht und im Kleingedruckten 40 Prozent konventionelle Baumwolle drin ist, dann ist das für mich einfach nicht Bio. Ich zeichne nur mehr Produkte mit Bio aus, wenn ich weiß, dass wirklich die gesamte Herstellungskette stimmt. Bio-T-Shirts um sieben Euro gibt es schlicht nicht!“
Es sei hier im Land nicht ganz so einfach, sich mit ökologisch hochwertiger, dafür eben auch hochpreisiger Mode zu etablieren, bedauert die Designerin: „Was biologische Lebensmittel betrifft, erfolgt inzwischen ein langsames Umdenken. In der Modewelt ist man leider noch lange nicht so weit. Das Handwerk dahinter hat einfach auch noch nicht den Stellenwert, den es verdient. Die Wertschätzung ist noch nicht dort, wo sie sein sollte. Alles muss schnell verfügbar und billig sein. Ob das dann Fetzen aus grässlichstem Material sind, spielt oft schon gar keine Rolle mehr…“, kritisiert Regina Kieninger.
Um selbst etwas dazu beizutragen, diese Einstellung zu ändern, stellt sie ihr Konzept gerne auf Messen vor: „Ich war jetzt drei Mal auf der Genussmesse Gustav eingeladen. So komme ich mit den Menschen in Kontakt, kann Aufklärungsarbeit betreiben und ein wenig bekannter werden. Da haben übrigens schon viele gemerkt, dass ich Mode verkaufe, die auch Menschen tragen können, die nicht so flippig angezogen sind wie ich, der Eindruck täuscht ja oft“, lacht sie.
„Ich traue mich zu behaupten, dass ich ein gutes Händchen für Menschen und individuelle Modewünsche habe“, erklärt die Designerin selbstbewusst. „Ich habe Diplome in Farb-,Typ- und Stilberatung, habe nebenher Ausbildungen im Visagisten- und Stylingbereich gemacht, mich eben ständig weitergebildet“. Und auf eines sei sie besonders stolz: „Meine Kunden haben eines gemeinsam: sie sind sehr bewusst, sie schätzen den ökologischen Weg, den meine Kleidungsstücke hinter sich haben.“
Regina Kieninger testet jedes Kleidungsstück selbst. Sie möchte wissen, wie sich das Material anfühlt, wie man sich überhaupt darin fühlt, aber auch, wie es sich im Alltagsgebrauch bewährt und pflegen lässt. „Ich halte meine Kollektionen bewusst klein, dafür zeitlos, langlebig und immer wieder neu kombinierbar. Ich mache für adelmut nur das, von dem ich selbst hundertprozentig überzeugt bin. Also Mode, die ich selbst auch gerne tragen würde.“
Wissen weitergeben
Ihr vielseitiges Wissen gibt Regina Kieninger derzeit in Workshops weiter, zuvor hat sie ein paar Jahre an der HTL Dornbirn unterrichtet. “ Ich habe mir so viel Wissen angeeignet, das nicht brach liegen soll. Ich arbeite so gerne mit Menschen zusammen. Das fehlt mir in gewissen Phasen meiner Arbeit schon sehr, da ist man streckenweise in seinem Atelier schon sehr für sich, es fehlt mir dann der Austausch, die Arbeit im Team“, bedauert sie.
Und deshalb arbeitet Regina Kieninger immer wieder auch bei Sozialprojekten mit – unter anderem mit der „Offenen Jugendarbeit“: „Da fließen die Ideen in Massen und das ist herrlich – da macht das Arbeiten so richtig Sinn und Spaß! Diese oberflächliche Modewelt ist nichts für mich, ich brauche den direkten Austausch mit den Menschen, mit den Kunden, mit den Näherinnen. Ich möchte Menschen dazu inspirieren, das zu tragen, was ihnen wirklich gefällt und zu ihnen passt. Lieblingsstücke zu fertigen ist ein Hochgenuss!“
Genauso, wie Lieblingsstücke zu tragen – finden wir!
Habe gerade mit viel Freude diesen Artikel gelesen! Schön das es junge Menschen gibt, die für ihre Arbeit noch brennen! Regina es freut mich dich zu kennen! Ich ziehe den Hut !!! Liebe Grüße Gerhild!
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Du bist spitze,weiterhin viel Erfolg von Gusti und Werner aus Kappel.
Habe gerade mit viel Freude diesen Artikel gelesen! Schön das es junge Menschen gibt, die für ihre Arbeit noch brennen! Regina es freut mich dich zu kennen! Ich ziehe den Hut !!! Liebe Grüße Gerhild!