Barbara Haid
„Ich hab mich nicht gelebt.“
Ein Porträt von Evelyn Brandt
Man sieht ihr das Alter nicht an. Sie ist 50 und gerade nach einer langwierigen Erkrankung gesund geworden. Während der vielen Wochen der Genesung entdeckte sich Barbara Haid neu. Sie begann wieder zu zeichnen. Und sie schrieb 360 erotische Seiten. Quasi in einem Flutsch. Oder müsste man nicht besser sagen: Als sich die Schleusen öffneten, befruchtete der Strom zwei brachliegende Talente – das Erzählen und das Zeichnen. Derart wach geküsst und von der Muse angestachelt, will sie es jetzt wissen.
Alles geht schnell bei ihr. Das Reden. Das Schreiben. Das Organisieren. Kaum sitzen wir auf der Terrasse, piepst es drinnen. Sie muss noch die Waschmaschine leeren, den ägyptischen Datteltee abgießen, die Fliegenklatsche suchen und dem Sohn die zeitliche Handhabung des Trockners erklären. Anschließend geht sie noch auf eine Lesung. An der Terrassentür jongliert die gebürtige Wienerin einhändig zwei Gläser Wasser, mit der anderen Hand schiebt sie lässig das Fliegengitter auf und zu, setzt sich dann in ihrem königsblauen Schlauchminikleid und lacht ein helles Lachen: „Wo sind wir stehen geblieben?“
Titelbild außen: ©Martin Schiefert
Titelbild innen: ©Nadja Ellensohn