Valeria Anna Lampert

Psychologin, Publizistin und Bloggerin

Die gebürtige Feldkircherin ist eine Vertreterin jener Bloggerszene in Österreich, die mit dem öffentlichen Schreiben im Netz bereits angefangen hat, als die erste größere Welle des „Social Computing“ vor gut zehn Jahren aus den USA herüber geschwappt ist. Valeria Anna Lampert lebt heute in Wien und hat in den vergangenen Jahren nicht nur ihr Doppelstudium der Psychologie und der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft erfolgreich abgeschlossen, sondern auch ihre Nische als Webautorin gefunden.

Weil sie uns mit ihrer feinfühligen und ganz eigenen, poetischen Art zu schreiben und zu gestalten aufgefallen ist, haben wir Valeria in einem Café in Feldkirch zum Interview gebeten. Sie ist gerade übers Wochenende zu Besuch in Vorarlberg, um den 91.Geburtstag ihrer Urgroßmutter zu feiern. Bei ihrer Uroma in Röthis hat sie – gemeinsam mit ihrer Mutter – ihre ersten drei Lebensjahre verbracht. Denn ihre Eltern haben noch nicht zusammen gewohnt, als Valeria auf die Welt kam. „Wenn meine Uroma über mich spricht, dann klingt es noch heute so, als ob ich ihr eigenes Kind wäre“, erzählt die Mitte-20-Jährige.

Aufgewachsen mit fünf Brüdern

Danach hat Valeria Anna Lampert ihre Kindheit mit ihren Eltern und ihren zwei älteren Halbbrüdern in Gisingen in Vorarlberg verbracht. In den Folgejahren hat sich ihre Familie um drei weitere Brüder vergrößert. Valeria ist also in einer richtigen Großfamilie aufgewachsen. „Ich glaube, es hat mir gut getan, dass ich mit so vielen Burschen aufgewachsen bin. Ich habe auch jetzt noch oft das Gefühl, dass ich mit Männern gute Freundschaften führen kann, mich mit ihnen gut verstehe. Vielleicht ist das ein positiver Nebeneffekt“, lacht sie. „Ich habe mich nie durchsetzen müssen, wie man vielleicht annehmen könnte. Zwischen mir und meinen drei jüngeren Brüdern besteht doch ein deutlicher Altersunterschied. Ich war immer die große Schwester und sie schätzen mich als solche bis heute sehr. Ich habe mich immer wohl gefühlt in einer großen Familie – obwohl ich mir natürlich zwischendurch schon mal eine Schwester gewünscht habe“, gibt sie mit Augenzwinkern zu.

Wollte immer schon eine Stimme haben

Ihre besondere Fähigkeit, sich sozial zu engagieren, hat sich bereits in der Schule bemerkbar gemacht. Es war meist Valeria, die sich für die Anliegen von Klassenkameraden eingesetzt hat, sie war Klassensprecherin, „und wenn irgendetwas nicht gepasst hat, dann habe ich es eben gesagt. Es war nie so, dass ich mich zurückgenommen habe. Ich habe versucht, für Gerechtigkeit einzustehen“. Und das hat sich bis heute nicht geändert. „Gerade wenn es um feministische Themen geht, fragen mich meine Freunde schon mal um meine Meinung. Ich wollte immer schon eine Stimme haben. Ich bin ein sozialer Mensch und glaube daran, dass vieles möglich ist.“

Als Valeria beispielsweise als junges Mädchen genauso wie ihre jüngeren Brüder Fußball spielen wollte und es noch keine weiblichen Mannschaften in Feldkirchs Fußballvereinen gab, hat sie eben selbst eine gegründet. „Ich habe Mitspielerinnen gesucht – und sie auch gefunden. Wir haben unsere Mädchenmannschaft dann bei einem Projektwettbewerb der Stadt eingereicht und sind dadurch auch unterstützt worden. Wenn man etwas will, dann geht es. Allerdings habe ich das Gefühl, dass sich viele Menschen in Vorarlberg schon lieber ruhig verhalten, als mit einer – vielleicht im ersten Moment verrückten Idee zu viel aufzufallen.“

Neuorientierung

Nach der Trennung ihrer Eltern war Valeria Anna Lamperts Mutter alleine mit den Kindern im Haus. „Ich weiß zwar nicht, wie sie das gemacht hat, aber es hat sehr gut funktioniert. Meine Mama hat daneben noch als Lehrerin und später als Schuldirektorin gearbeitet. Auch wenn wir eher sparsam aufgezogen wurden, hatte ich nie das Gefühl, dass mir irgendetwas fehlen würde. Und dass ich beim Studieren von meinen Eltern Unterstützung bekommen würde, stand nie in Frage“.

Wobei Valeria nach der Matura zunächst einmal überhaupt nicht wusste, was sie mit ihrem neuen Leben abseits von Schule und Stundenplänen anfangen sollte. „Ich war 17, bislang war alles vorgegeben, strukturiert, die Matura als Ziel vor Augen.“ Valeria Anna Lampert entschied sich dann, für ein halbes Jahr auf Teneriffa als Aupairmädchen zu arbeiten. Sie hat danach auch begonnen, Spanisch und Internationale Entwicklung zu studieren. „Nach zwei Semestern hab ich wieder aufgehört. Das war nichts für mich.

Ich wusste zu dieser Zeit wirklich nicht, wo ich hinwollte, habe mir dann auch selbst Stress gemacht, konnte meine gewohnte Zielstrebigkeit nicht erkennen, dachte, ich verschwende Zeit. Heute weiß ich, dass das natürlich kompletter Blödsinn war, weil ich doch eh noch so jung war.“ Instinktiv beschloss sie, alles wieder auf Null und Anfang zurückzustellen und in Ruhe zu überlegen. Schließlich hat sich Valeria für das Doppelstudium Psychologie/Publizistik entschieden, „das hat meine Interessen am ehesten getroffen. Und ich bin heute sehr froh, dass ich es gemacht habe. Das Studium hat mir nicht nur Fachwissen, sondern auch Input für neue Ideen und Möglichkeiten gegeben.

Vom Reisetagebuch…

Als sie begonnen hat, während ihrer Zeit in Teneriffa ein öffentliches Online-Reisetagebuch zu schreiben, war das „Bloggen“, also das Schreiben auf einer eigenen Internetseite bei uns im Land gerade im Entstehen. „Es gab viele dieser Reisetagebücher von jungen Menschen“, erzählt Valeria, „zumeist um die Angehörigen zu Hause auf dem Laufenden zu halten.“ Manche von ihnen haben sich zu mehr oder weniger erfolgreichen Fashion- und Beauty-Bloggern entwickelt und daraus sogar einen Beruf gemacht, andere haben sich mit Reiseabenteuergeschichten einen Namen im Netz gemacht. Die meisten Seiten sind Hobbyseiten geblieben. Aus Freude am Schreiben, aus Spaß an der Selbstinszenierung, an der Webseiten- und Fotogestaltung.

Valeria Anna Lampert selbst hat mit der Zeit immer weniger über ihren Auslandsaufenthalt geschrieben, als vielmehr Gedichte und eigene Texte. „Ich habe zwar in der Schule schon gerne geschrieben, aber durch diese Bloggerei habe ich erst gemerkt, dass mir Schreiben so richtig Spaß macht. Ich habe mich gern nach der Arbeit am Abend noch an den Computer gesetzt und geschrieben.“ Wie bei so vielen haben sich zunächst nur Freunde und Familienmitglieder auf ihre Seite verirrt und ihre Texte gelesen. „Und als ich dann aus Teneriffa zurückkehrte, habe ich gar nicht mehr weiter darüber nachgedacht und erst mal gar nichts mehr geschrieben.“

… zur ersten eigenen Webseite

Erst während ihres Studiums, als sie ihren damaligen Freund öfter einmal in einer ganz eigenen Welt aus Computerspielen versunken vorfand, hat sie ihre Schreiberei als „eigenes kleines Universum, das ich mir selbst erschaffe“, wieder entdeckt. „Je mehr ich geschrieben habe, desto besser hat es funktioniert. Ich habe mich ständig weiter entwickelt, habe mich immer mehr getraut.“ Als dann die Blogs wie Pilze aus dem Boden schossen, merkte Valeria, dass sie sich ihre eigene Nische suchen musste.

„Zunächst bin ich mitgezogen mit der Masse, habe mich in der Fashion- und Lifestyle-Szene aber nie so wirklich zuhause gefühlt. Ich gebe zu: Auch ich hatte einmal für ganz kurze Zeit so etwas kitschig-Niedliches in pinkem Layout.“ Valeria Anna Lamperts eigene, sehr feinfühlige und poetische, teils auch gesellschaftskritische und politischen Texte wollten natürlich bald nicht mehr wirklich zu den hübschen Outfit-Bildern passen… „Ich war bereits auf mehreren Blogger-Events, und manche sind auch wirklich gut. Aber ich habe mich bei diesen Veranstaltungen auch immer wieder dabei ertappt, dass ich mich fehl am Platz gefühlt habe. Es fällt mir schwer, mich und meinen Blog, so wie er heute ist, in eine Kategorie zu stecken. Es ist eben meiner. Mit meinen Gedanken, Erlebnissen und Texten.“

Valeriannala.com

„Es hat eine Zeit lang gedauert, den Mut zu entwickeln, sich vom schnellen, aber kurzlebigen Erfolg mit schicken Bildchen abzuwenden und etwas komplett Eigenes zu schaffen. Etwas, das vielleicht nicht bei allen gleich (gut) ankommt, hinter dem ich aber stehen kann“, sagt Valeria und erzählt, wie sie durch ihr Psychologiestudium immer wieder auch mit Lebensgeschichten von Menschen mit psychischen Erkrankungen konfrontiert worden ist. „In meinem Blog www.valeriannala.com schreibe ich nicht nur über mich, sondern auch über andere, interessante Lebensgeschichten von Menschen ohne und mit psychischen Erkrankungen. Ich habe erlebt, wie psychisch Kranke als Idioten und Psychopathen oder ähnliches beschimpft worden sind. Gleichzeitig habe ich erfahren, dass viel mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, als das überhaupt vermutet und realisiert wird – oft bleibt es sogar vor dem engstem Familien- und Freundeskreis verborgen.“ Valeria Anna Lampert möchte mit ihren Geschichten darauf aufmerksam machen – und zwar vom Blickwinkel der Betroffenen aus. „Mittlerweile melden sich Menschen von sich aus bei mir, die ihre Geschichte auf meiner Seite erzählen wollen – zuletzt etwa ein junger Mann, der eine Essstörung überwunden hat.“

Lernen, den Erfolgsgedanken zu bremsen

Valeria hat gelernt, dass man sich in der Bloggerszene nicht vergleichen darf. „Interesse an den Seiten der anderen und Netzwerken ist natürlich sehr wichtig. Aber wenn man versucht, andere zu kopieren, kommt man nicht sehr weit.“ Sie hat die Erfahrung gemacht, dass man sich vom Erfolgsgedanken lösen muss, „das bremst, schränkt dich ein. Ich finde es wichtig, sich genau zu überlegen, was man schreiben will, nicht nur drauf zu drängen, dass da so schnell und so oft wie möglich irgendetwas geschrieben steht. Man muss in Kauf nehmen, dass es mühsam und anstrengend ist, und dass es langsam vorangeht, gerade wenn man nicht auf der 08/15-Schiene mitfährt. Und je komplexer die Themen sind, umso langsamer bewegt es sich vorwärts. Ich sehe das ähnlich wie in der Fernsehunterhaltung: hier punkten auch seichte Serien mit hohen Einschaltquoten, obwohl sie teilweise einfach nur aus Blödsinn bestehen.“ Mittlerweile, sagt sie, hält sie es auch aus, wenn jemand mit ihrem Blog eben gar nichts anfangen kann.

Änderung in der Medienlandschaft

Als ausgebildete Publizistin hat Valeria Anna Lampert beobachtet, dass sich durch das Aufkommen der Blogs auch die Medienlandschaft verändert hat. „Noch vor ein paar Jahren konnte niemand wirklich einordnen, womit man es zu tun hatte. Plötzlich konnte jeder etwas publizieren, jeder kann heute eine neue Seite eröffnen und sich journalistisch betätigen, ohne für eine Zeitung oder ein Magazin arbeiten zu müssen. Aber ich finde es gut, dass jeder eine Stimme haben kann. Es gibt auch wichtige und wertvolle Statements, die nicht von den etablierten Medien aufgenommen und weiter transportiert werden.“ Auf der anderen Seite müsse natürlich auch der Leser geschult sein, um dem (Über)-Angebot kritisch gegenüber stehen können. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte…

Jedenfalls lasse das Thema viel Spielraum für spannende Jobs. Seit kurzem hat Valeria ja ihre Studienabschlüsse in der Tasche. Ob sie künftig in einer Redaktion arbeiten wird oder ob es doch ein Arbeitsplatz im Psychologiebereich werden wird, lässt sie momentan noch offen. Wien als Lebensmittelpunkt soll es in den nächsten Jahren aber auf jeden Fall bleiben, und schreiben will sie auch weiterhin. „Wenn mir eine Arbeit Spaß macht, dann spielt es für mich keine Rolle, wenn ich etwa auch am Abend lange arbeiten muss. Oder am Wochenende. Ich bin jemand, der eigentlich immer etwas tut.“

Und während wir unser Gespräch für dieses Porträt zusammenfassen, geht Valeria einen Teil des Jakobswegs – nachzulesen ist ihre Reise unter valeriannala.com. Wir sind gespannt, wo es diesmal hinführt.

Verfasst im Mai 2017

2 Kommentare
    • schwarz-auf-weiss
      schwarz-auf-weiss sagte:

      Herzlichen Dank für’s Feedback! – das freut uns sehr :-) Schöne Grüße von Angelika, Claudia und Elisabeth Schwarz

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