Daniela Alge

Autorin und Landwirtin

Die gebürtige Bregenzerwälderin schreibt – anders als die fast schon kitschige Idylle ihres Hofes im Allgäu vermuten lässt – nicht etwa Liebesromane, sondern Krimis. Gleich vier Regionalkrimis, die allesamt im Bregenzerwald angesiedelt sind, hat Daniela Alge in den vergangenen vier Jahren erfolgreich publiziert. Die Zeit zum Schreiben nimmt sich die dreifache Mutter nach Feierabend, wenn Familie und Vieh versorgt sind.

Herrlich unkompliziert und spontan empfängt uns die Autorin auf dem „Algehof“ in Wangen im Allgäu, nur ein paar Autominuten von der Vorarlberg-Deutschen Grenze entfernt. Es spielt keine Rolle, dass wir wieder einmal zu früh dran sind, „ich bin nicht überkritisch und perfekt“, lächelt Daniela Alge gelassen, „bei mir bleibt im Haushalt auch mal etwas liegen, wenn eine Freundin etwas Wichtiges mit mir zu besprechen hat“.

Titelfotos: Ursula Dünser

Schule war immer Nebensache

Die drei Kinder der Alges wachsen so auf, wie Daniela es selbst aus ihren eigenen Kindertagen kennt: „Sie gehen raus, treffen Freunde und wenn sie Hunger haben, dann kommen sie wieder heim. So war es auch bei mir. Ohne strikte Regeln sind wir draußen spielen gegangen, ohne zuerst das und das zu erledigen, sehr selbständig eben. Ich bin nach Hause gekommen, wenn es dunkel war“, erzählt sie und kann die mitunter nostalgische Rückblicke der heute Erwachsenen nicht ganz nachvollziehen: „Wenn man es wirklich will, dann kann es auch für die Kinder von heute noch so sein.“ Daniela Alges Mutter hat zuhause in Bizau im Bregenzerwald Gästezimmer vermietet, der Vater war Waldaufseher, „dadurch war er natürlich beruflich schon immer viel draußen – und mit ihm auch wir Kinder, also mein Bruder, meine Schwester und ich – und ein ganzer Haufen Nachbarskinder. Schule war immer Nebensache und ist nebenbei gelaufen. Bei uns hat niemand viel Wert auf gute Noten gelegt und schon gar nicht erwartet, dass man die Beste war. Wir hatten allerdings das Glück, dass wir uns immer leicht getan haben und eigentlich recht gute Schüler waren – ohne viel Druck und Stress“.

Obwohl die Großmutter zuhause noch alte Traditionen lebte, etwa die Buben zu Weihnachten hochwertiger beschenkte als die Mädchen, hatte Daniela Alge nie das Gefühl, dass es ein Nachteil gewesen wäre, ein Mädchen zu sein: „Meine Cousinen und ich konnten über die Geschenketradition auch herzlich schmunzeln, weil wir sonst eben nicht viel Unterschied erlebt haben, wir sind nämlich zuhause ansonsten ziemlich gleichberechtigt erzogen worden.“

Tausende Briefe aus dem Internat

Nach dem Hauptschulabschluss wollte Daniela Alge unbedingt Kindergartenpädagogin werden. Dass sie dafür ihr Elternhaus verlassen und ins Internat musste, nahm sie – wie es schon damals ihrer Art entsprach – sehr gelassen auf. „Klar herrschten dort strengere Regeln“, fügt sie hinzu, „es gab etwa fixe Studierzeiten. Aber ich habe mir schon immer zu helfen gewusst und in dieser Zeit eben eher Briefe und Tagebuch geschrieben, als tatsächlich den Lernstoff durchgekaut“. Tausende Briefe hat Daniela Alge während dieser Studierzeiten verfasst, „ich habe dadurch aber auch fast jeden Tag Post bekommen“, lacht sie. Natürlich habe es beispielsweise beim Putzdienst das eine oder andere Krisengespräch gegeben, „und wir haben gelernt, weniger heikel zu sein, auch mal etwas zu essen, was vielleicht nicht so schmeckt. Weil es eben sonst nichts anderes gab“. Heute kann Daniela Alge auf eine insgesamt schöne Internatszeit zurück blicken, „- jedenfalls im Nachhinein betrachtet… Ich hatte das Glück, eine lässige Klasse gehabt zu haben. Ich finde, das ist wichtig für eine gelungene Schulzeit. Wir waren vier Wälderinnen und vier Lustenauerinnen in einer Clique – und wir treffen uns heute noch!“.

Neuorientierung

Nach der Schule, im Alter von 19 Jahren, ist Daniela Alge gleich in den Beruf eingestiegen und war acht Jahre lang Kindergartenleiterin in Mellau im Bregenzerwald. Zwischendurch jobbte sie als Legasthenie-Trainerin, Bardame, Eisverkäuferin, Marktfahrerin und Käsefachfrau sowie Chorsängerin. „Ich hatte dann allerdings das Gefühl, dass ich nicht ein Leben lang ein- und dasselbe machen wollte. Jahraus jahrein. Ich bin nach diesen acht Jahren für einige Zeit nach Brasilien und habe als Praktikantin beim Hilfsprojekt Der Kleine Nazareno für Straßenkinder mitgearbeitet. Darüber habe ich zufällig in einer Zeitung gelesen und bin mitgegangen.“

Wieder zurück im Ländle, lebte sie eine Zeit lang allein in einer Wohnung, arbeitete mehrere Winter hindurch als Ski- und Snowboardlehrerin und während der Sommerzeit auf Alpen. Daniela Alge beschreibt diese Jahre als „sehr glückliche. Ich hatte genug Zeit, um zu schreiben und an meinem Stil zu feilen. Einen Fernseher hatte ich nie, das hat mich nie interessiert. Ich habe auch als Kind nie viel ferngesehen, wenn sich mein Bruder einen Film angesehen hat, habe ich lieber ein Buch gelesen. Wir hatten schon als Kind immer Zugang zu Büchern. Viel gelesen habe ich also immer schon.“

Umzug nach Deutschland

Bei einem ihrer Jobs – diesmal als Christbaumverkäuferin – lernte sie ihren Mann Christian kennen. Vor gut zehn Jahren ist sie mit ihm nach Wangen übersiedelt, wo er ein rund 50 Hektar großes Anwesen, den „Algehof“ seiner Großmutter übernommen hat. „Ich konnte mir nie vorstellen, nach Deutschland zu ziehen. Aber Wangen ist erstens nicht ganz so weit weg, und zweites ist ein Blick von außen auf die eigene Heimat ganz interessant! Es hat ganz gut getan, nicht von ganz mittendrin zu schreiben.“

Als nämlich der Trend zu Regionalkrimis aufkam, in denen Daniela Alge vermehrt die Vorliebe für kleine verschlafene Ortschaften im deutschsprachigen Raum erkannte, „verfestigte sich der Gedanke, es nun doch einmal selbst mit einem Buch zu probieren. Meine Heimat, den Bregenzerwald kenne ich gut, da muss ich nicht lange recherchieren, um darüber zu schreiben. Und dann hab ich eine Art Schule fürs Schreiben, einen Fernsehkurs gemacht. Und zwar so einen, wie er auf den Rückseiten der Illustrierten angeboten wird… Damals musste ich meine Texte noch per Post schicken“, lacht Daniela Alge. „Ich habe bald erkannt, dass ich Krimis schreiben kann, das hat mich interessiert, da hat auch das Feedback gepasst.“

Algehof

Schreiben nach Feierabend

Bevor Daniela Alge dann tatsächlich einen Verlag für ihr erstes Buch gesucht hat, sollte dann aber noch einige Zeit vergehen. Zunächst spielte sie mit dem Gedanken, eine kleine Auflage im Eigenverlag herauszubringen und als Weihnachtsgeschenk für Freunde und Verwandte zu verschicken. „Das war dann schon motivierend, mein erstes Buch auch tatsächlich fertig zu schreiben. Ich habe schließlich täglich jeden Abend geschrieben, wenn mein Mann Christian die Kinder ins Bett brachte – das übernimmt nämlich meistens er.
Für mich ist es wichtig, etwas zu haben, das ich selbst gerne mache, das mich erfüllt, mir Spaß macht. Dazu zählt auch das Leben auf dem Hof, mit meinem Mann. Wir haben uns etwas geschaffen, das uns gefällt, hinter dem wir stehen können. Deshalb erwarten wir auch nicht, dass unsere Kinder das lernen und machen, was WIR wollen. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, das zu finden, was IHNEN Freude macht – sei es in der Schule oder im Sport oder in der Freizeit. Wir können sie dadurch erwartungsfrei annehmen, die Kinder so sein lassen, wie sie sind – ohne unsere Erwartungen in sie zu projizieren. Ich kann meine Kinder Kinder sein lassen. Denn wenn man einmal weiß, was man will, kann man alles lernen. Egal wie alt man ist. Davon bin ich überzeugt.“

Kathrinatag von Daniela Alge

Als sie ihren ersten Krimi dann tatsächlich abgeschlossen hatte, wagte Daniela Alge dann doch die Suche nach einem Verlag, schrieb an vier Häuser – und bekam prompt zwei Zusagen! Mit dem Oberösterreichischen Krimiverlag „Federfrei“ hat sie schlussendlich zusammen gearbeitet, und damit war im Jahr 2013 mit dem Buch „Kathrinatag“ eine neue Vorarlberger Krimiautorin geboren. Die erste Auflage von 1.000 Stück war binnen einer Woche ausverkauft. „Kathrinatag“ musste neu aufgelegt werden.

Ihre mittlerweile vier Bregenzerwald-Krimis rund um Ermittler Reinhold Waldinger verkaufen sich hauptsächlich in Vorarlberg und im Bodenseeraum. „Man merkt einem Buch an, ob die Handlung in einer Gegend spielt, die der Autor auch tatsächlich kennt“, ist sich Daniela Alge sicher, „ein Ortskundiger kann aus meinen Krimis noch viel mehr zwischen den Zeilen herauslesen als ein anderer. Man schreibt dann einfach anders, als wenn man die Orte nur erfindet. Es ist auch für mich beim Schreiben eine Art Gerüst, ein Halt, wenn man sich auskennt“.

Geschichten über Menschen

Daniela Alge interessiert beim Schreiben ihrer Krimis nicht die Tat, das Verbrechen an sich, ebenso wenig das kriminaltechnische Arbeiten und Ermitteln. Es sind die Geschichten der Charaktere in ihrem Buch, die sie faszinieren, die Menschen und ihre Verstrickungen. „Mich interessiert viel mehr, wie es zu einer Tat gekommen ist. Ich bin nicht die, die ins Landeskriminalamt gegangen ist, um dort die Arbeitsweisen zu recherchieren“, erzählt sie, „ich habe eine Zeit lang wirklich viele Krimis gelesen. Aber mittlerweile sind sie mir einfach zu düster, zu blutrünstig und brutal – und zu viel auf Action ausgerichtet, das mag ich gar nicht.“
In fast jeden Kriminalfall des Reinhold Waldinger ist eine wahre Geschichte eingeflochten. So ist etwa der Fahrerfluchtunfall mit einem Todesopfer, der im ersten Buch beschrieben wird, tatsächlich im Vorderwald passiert. Daniela Alge hat daraus einen Kriminalfall gemacht. Auch die Skigebietserweiterung im Bregenzerwald wird den Lesern ihres zweiten Buches zurecht bekannt vorkommen… „Und beim Wolfsmörder war auch tatsächlich ein Wolf in Schönenbach, und da hat man am Stammtisch eben auch dies und das gehört… Erst das vierte Buch war komplett frei erfunden. Genauso wie mein Waldinger kein reales Vorbild hat, er ist einfach menschlich, bodenständig, nicht allzu intellektuell – und natürlich ein Wälder.“

Wenn Autoren Bücher lesen

Seit Daniela Alge selbst schreibt, liest sie „komplett anders. Ich habe früher zum Beispiel jedes Buch, das ich angefangen habe, auch fertig gelesen. Das mache ich jetzt schon lange nicht mehr. Ich bin da sehr kritisch geworden – manchmal finde ich es fast schon schade, dass mich nicht mehr so viele Bücher wirklich begeistern. Man analysiert eben das Handwerk, und dann stören mich gewisse Dinge, die mir als Leserin früher nicht aufgefallen sind. Wenn zum Beispiel jemand in der Szene plötzlich die Perspektive wechselt, habe ich das früher nicht bewusst gemerkt. Und wenn das dann eben zum dritten Mal vorkommt, dann nehme ich das Buch schon nicht mehr so ernsthaft an“.

Auch Daniela Alges Blick auf die Literaturszene im Land fällt durchaus kritisch aus. Sie findet es nämlich „schade, dass man nicht mehr weibliche Schriftsteller in der Öffentlichkeit vorstellt. In den Medien“, so hat sie das Gefühl, „sind die Männer eher präsent. Möglicherweise weil sie öfter hauptberuflich Schriftsteller sind. Ernstzunehmende Autorinnen werden schnell einmal als Hausfrauen, die nebenbei schreiben, abgetan. Ob ich zusätzlich Haus und Hof betreue, sagt nichts über die Qualität meine Texte aus. Hier in Deutschland werden zunehmend weibliche Autoren gefördert, weil bei den großen Preisen eher die Männer absahnen“. Daniela Alge weiß daher jene Persönlichkeiten im Land zu schätzen, „die Vorarlbergs Literaturszene mit viel Eigenengagement vorantreiben. Es sind einige wenige, sie sind hauptsächlich in gut aufgestellten Büchereien und Buchhandlungen zu finden. Ich habe beispielsweise momentan Lesestunden in Schulbibliotheken, bei denen man allein schon an der Anzahl der Zuhörer merkt, dass da ein engagiertes Team dahinter steht. Bei Lesungen in Büchereien, die öfter Veranstaltungen anbieten, kommen nämlich meist auch mehr Besucher. Es gäbe da sicher noch unzählige andere Möglichkeiten, die Literatur in Vorarlberg ein wenig mehr in den Alltag zu holen“.

Abschied von Waldinger

Daniela Alge gibt uns gegenüber den Abschied von Krimiheld Waldinger bekannt. Denn das sei es (vorerst?) für sie gewesen mit den Krimischreiben. „Es war ein schöner Einstieg in die Schriftstellerei. Aber auch das ist es nicht, was ich ein Leben lang schreiben will.“ Wo Daniela in Zukunft literarisch hin will, lässt sie noch offen. Waldinger jedenfalls wird im (bislang?) letzten Alge-Krimi – „Eiskalte Spur“ – suspendiert und geht auf die Alp – ein kleiner Wink übrigens auf Daniela Alges nächstes Projekt. Das steht nämlich bereits fest und ist auch schon in Arbeit: Gemeinsam mit einer befreundeten Fotografin erarbeitet Daniela Alge – in Wort und Bild – ein Buch mit Porträts von Menschen und Familien, die auf Alphütten in Vorarlberg ihr Leben gestalten.

Wir als Porträtschreiberinnen freuen uns natürlich schon besonders darauf!

Verfasst im April 2017

Nachtrag vom 17.10.2018:

Daniela Alge und Heike Fink; Foto: ©Daniela Alge

Daniela Alge und Heike Fink; Foto: ©Daniela Alge/Heike Fink

Daniela Alge hat nun die Idee, von der sie uns vor anderthalb Jahren in unserem „Schwarz auf Weiß“-Interview bereits erzählt hat, verwirklicht: Am 25. Oktober 2018 bringt sie ihr nächstes Buch heraus. Ihr jüngstes Werk mit dem Titel „Gamsfreiheit“ ist diesmal kein Bregenzerwälder Krimi, so wie es ihre Leserschaft eigentlich gewohnt ist, sondern beinhaltetet: PORTRÄTS! Der gemeinsam mit Fotografin Ursula Dünser gestaltete Band erzählt in Wort und Schwarzweiß-Fotografie vom Älplerleben in Vorarlberg. Als kleinen Vorgeschmack darauf hat Daniela Alge exklusiv für unseren Blog eine Älplerin porträtiert. Wir sind somit stolz darauf, die Älplerin und Altenpflegerin Heike Fink in unserer Reihe „Gastporträts“ vorstellen zu dürfen: hier geht’s zum Gastporträt, das Daniela Alge über Heike Fink verfasst hat.

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